Yared Dibaba schnackt Platt in ausverkaufter Christuskirche

05. Februar 2024

Yared Dibaba spricht nach eigener Aussage Plattdeutsch besser als Hochdeutsch: Mit einem Abend auf Platt begeisterte er jetzt das Harpstedter Publikum.

Harpstedt - Was braucht es, um 500 Menschen in der ausverkauften Christuskirche in Harpstedt an einem späten Sonntagnachmittag zum Tränenlachen und zu Beifallsbekundungen in kürzester Zeit zu bringen? Die Antwort: Yared Dibaba. „Een Schwatter“, der die plattdüütsche Sprache nach eigenen Angaben besser als das Hochdeutsche spricht und der Land und Leute kennt. Er weiß, wie man einen Schnackabend gestaltet, um in seiner unterhaltsamsten Form als „Entwicklungshelfer“ für die plattdeutsche Sprache vors Publikum zu treten.

Döntjes und Platt-Unterricht

Mit Histörchen und Döntjes aus allen Lebenslagen und schnell gefundenen „Gesprächspartnern“ in den Zuschauerreihen erinnerte der heute in Hamburg lebende Plattsnacker an seine Herkunft, an seine Familie und vor allem an Falkenburg in der Gemeinde Ganderkesee, wo er nach der Flucht aus Äthiopien seine Jugendjahre verbrachte.

Bücher und TV Dass Yared Dibaba viel zu erzählen hat, ist allseits bekannt. Ob seine Geschichten in „Hör mal ‘n beten to“, ob in seinen Büchern oder seinen regelmäßigen Moderationen im Fernsehen, er hat die Welt gesehen, alle fünf Kontinente bereist und steht wie kaum ein Zweiter für seine norddeutsche Heimat ein. Aber auch von seiner anderen Heimat in der Region Oromia (Äthiopien) gab es etwas zu hören und von dem Weg in die neue Heimat. 

Die Sprache ist platt, aber das Herz umso runder“, ist einer seiner Wahlsprüche. Dibaba gab sein Schauspieldebüt in der NDR-Familienserie „Die Ohnsorgs“, feierte seinen Durchbruch mit der Talkshow „Die Tietjen und Dibaba“, zeigte sein großes Herz in „Land & Liebe“ und sammelte internationale Erfahrungen mit „Die Welt op platt“.

2017 weilte er schon einmal in der Harpstedter Kirche. Viele von damals waren nicht wieder dabei, wie seine Nachfrage ergab. Allerdings ist man beim Platttalk mit Dibaba manchmal auch etwas zurückhaltend. Warum? Das erfuhr Tourist Stephan aus Herzfeld ganz unerwartet. Als Dibaba nachfragte, wer Plattdeutsch gar nicht verstehe und trotzdem zu der Veranstaltung gekommen sei, meldete Stephan sich zu Wort. Er sei mit dem Wohnmobil nach Harpstedt gereist und habe das Foto zum Plattabend gesehen. Nun sei er hier, aber verstehen würde er nicht viel. Das war die Steilvorlage für Dibaba: „Wir werden jetzt zusammen Plattdeutsch lernen.“ Das tiefe, lang gedehnte „Moin“, ein ebenso sonores „Jo“ und die immer passende Antwort „Nütz ja nix“ hatte Stephan bald drauf. Wer danach noch ein trockenes Auge hatte, der hatte selbst schuld.

Richtiger Ton

Bewegungssport gab es auch: „Wir stehen jetzt mal alle auf und geben unserem Hintermann die Hand.“ Natürlich ging das nicht auf, aber die beinahe 100-prozentige Reinfallquote brachte alle in beste Stimmung.

„Eet ji hier Grünkohl?“, fragte der Entertainer. „Die Bremer nicht, de eet Braunkohl.“ Warum: Als sie ihn in Oldenburg einkauften und nach Bremen fuhren, war er inzwischen braun geworden…

So und ähnlich ging es im zweiten Aufritt Dibabas in Harpstedt durchs Programm. Man hört ihm gern zu. Auch wenn es mal ernst wird in diesen amüsanten Stunden, trifft Yared Dibaba den richtigen Ton und berührt die Sinne seiner Zuhörer auf bemerkenswerte Weise.

Quelle: NWZ Online 05.02.2024

 


 

Erfolgreiche „Rettungsmission“

„Plattschnacker“ Yared Dibaba weiß in Harpstedt zu begeistern VON HOLGER RINNE KREISZEITUNG

Harpstedt – Was war das für ein Abend in der Harpstedter Christuskirche! Der bekannte NDR-Moderator, Schauspieler, Sänger und Entertainer Yared Dibaba begeisterte am frühen Sonntagabend mehr als 500 Zuschauer in dem ausverkauften Gotteshaus.

Neben Werner Momsen (alias Detlef Wutschik) und Gerd Spiekermann gehört Dibaba zweifelsohne zum Dreigestirn der norddeutschen „Plattschnacker“. Von Beginn an zog der Entertainer seine Zuhörer in seinen Bann, reagierte schlagfertig auf Zwischenrufe und begab sich publikumsnah zwischen die Kirchenbänke.

Nach einer kurzen Aufwärmphase („Wer spricht platt? Wer spricht kein platt? Wer kann platt verstehen?“) ging es dann auch deftig zur Sache. Vieles kann man auf Hochdeutsch gar nicht wiederholen. Was auf Plattdeutsch noch sehr smart klingt, könnte keinesfalls auf Hochdeutsch formuliert werden, ohne für Empörung zu sorgen. Etwa, wenn Dibaba beispielsweise fragt, wie ein Corona-Test auf dem Land funktioniert, oder wenn er über Blähungen nach dem Genuss von Grünkohl philosophiert.

Er überspitzt die Eigenschaften der Norddeutschen, die landläufig als maulfaul und wenig temperamentvoll gelten, ganz bewusst. Dabei stellt er das genaue Gegenteil dar. Er sprüht vor Energie und die Geschichten sprudeln nur so aus ihm heraus. Gespickt mit viel Wortwitz karikiert er mit einem unglaublichen Redeschwall die vordergründige norddeutsche Art. Dabei kokettiert er sowohl mit seiner Hautfarbe („Du wolltest doch einen Schwatten sehen, der platt schnackt“) als auch mit seiner Herkunft („Ich kannte nur das ostafrikanische Platt“).

Tatsächlich stammt Yared Dibaba aus Äthiopien und kam im Alter von vier Jahren erstmals nach Deutschland, nachdem sein Vater in Osnabrück einen Studienplatz erhalten hatte. Bereits nach drei Jahren kehrte die Familie in die Heimat zurück, wo Dibaba eine deutsche Schule besuchte, um schließlich 1979 in die Bundesrepublik zurückzukehren. Auslöser war der Bürgerkrieg, der damals in Äthiopien herrschte. Falkenburg war zu seiner neuen Heimat geworden. Auf dem Land lernte er schnell Plattdeutsch. Seine Schullaufbahn begann im benachbarten Ganderkesee. Sein Abitur legte er später am Max-Planck-Gymnasium in Delmenhorst ab.

Bei Dibaba klingt das auf Hochdeutsch dann so: „Die plattdeutsche Sprache stirbt langsam aus. Deswegen hat mich mein Großvater als Entwicklungshelfer nach Norddeutschland geschickt, um das Plattdeutsch zu retten.“

Beim Retten blieb es am Sonntagabend allerdings nicht. Nachdem er im Kirchenschiff einen Urlauber aus Krefeld ausfindig gemacht hatte, versuchte er aus ihm einen Plattschnacker zu formen. Die Übungen begannen mit dem einfachen, bei jeder Gelegenheit und zu jeder Tageszeit gebräuchlichen „Moin“. Den ersten Versuch seines Schülers erschien ihm jedoch zu melodisch und langgezogen. „Das klang jetzt südländisch“, quittierte er die ersten Sprachübungen. „Kürzer und mehr aus dem Bauch heraus“, leitete Dibaba den Besucher vom Niederrhein an.

Nach etlichen Versuchen glückte dem Krefelder ein akzeptables „Moin“ und Dibaba rundete die Plattdeutschkenntnisse seines Schützlings mit den Ausdrücken „Jo“ und „nützt ja nix“ ab. Den abschließenden Einbürgerungstest bestand der Prüfling jedoch nur knapp. Dibaba führte den Besucher dabei nicht etwa vor, er bewältigte die Szene mit viel Selbstironie und Einfühlungsvermögen.

Etwas ernster wurde es, als Dibaba zum Ende des ersten Teils eine Episode aus einem seiner Bücher vortrug. In der Geschichte ging es um die zweite Ankunft der Familie in Deutschland.

Insgesamt war es ein kurzweiliger und höchst unterhaltsamer Abend in dem Harpstedter Gotteshaus, wie auch Jürgen Mües fand. „Ein schöner Spätnachmittag mit einem unaufgeregten, sympathischen und publikumsnahen Yared Dibaba. Seine Vorstellung lebt von der Situation und der Kommunikation mit dem Publikum. Leider war es in der Kirche sehr kalt“, so der Wildeshauser.

Quelle: Kreiszeitung Online 06.02.2024

Freitag, 09. Februar 2024, Kreiszeitung Kreis Oldenburg / Harpstedt

L E S E R B R I E F

„Vorwurfsfreies Plädoyer gegen Rassismus“

„Erfolgreiche Rettungsmission“, Nachbericht über Yared Dibabas Gastspiel in der Harpstedter Christuskirche auf der Seite „Oldenburger Land“ vom 6. Februar.

Leider zitiert Ihr Reporter Yared Dibaba eigentlich nur aus dem ersten Teil seines Programms. Dabei wäre gerade der zweite Teil, der mir persönlich besser gefallen hat, erwähnenswert(er) gewesen.

Dibaba kam kurz vor Schluss auf das Thema Diversität (Vielfalt) – „op Platt: Kuddelmuddel“ – zu sprechen. Er bat darum, dass alle, die in Harpstedt geboren sind, einmal aufstehen sollten. Ich konnte von meinem Platz aus nicht alle sehen, aber es dürften keine 20 Personen der über 500 Zuschauer gewesen sein. Nachdem sich diese wieder gesetzt hatten, bat Dibaba darum, alle aufzustehen, die nicht in Harpstedt geboren sind. Das war natürlich der große Rest. Anschließend sollten sich die beiden Gruppen gegenseitig applaudieren, denn nach Dibabas Interpretation wäre der Abend so ja nicht zustande gekommen, wenn „die Harpstedter nicht zugelassen hätten, dass Menschen, die nicht aus Harpstedt sind, an dieser Veranstaltung teilnehmen können“. Das Zulassen hätte für „Kuddelmuddel“ (Diversität, Vielfalt) gesorgt.

Anschließend bat Dibaba darum, dass sich diejenigen melden, die Platt als erste Sprache – noch vor Hochdeutsch – kennengelernt hätten. Ein paar Leute meldeten sich. Dies kommentierte der Entertainer mit den Worten: „Dann ist Hochdeutsch ja praktisch eine fremde Sprache für Sie gewesen!“

Was folgte, war ein kurzweiliges Plädoyer gegen Rassismus und Antisemitismus, wobei Dibaba diese Worte anscheinend bewusst nicht verwendete. Man merkte ihm an, dass ihm dieses Thema wichtig ist. Er argumentierte ohne Vorwürfe und sehr treffend.

Besonders schön fand ich, als er riet: Wenn man auf andere Menschen treffe, egal, welcher Hautfarbe, Religion etc., solle man nach Gemeinsamkeiten suchen – und nicht nach Unterschieden.

Dies war für mich mit der beste Teil des Abends! Und aus dem anschließenden begeisterten Applaus der Zuschauer am Ende der Veranstaltung schließe ich, dass viele Yared Dibaba insgesamt zugestimmt haben.

(Leserbriefe geben die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.)

Astrid Malbrich Beckeln