Wenn Musiker für Nachbarn spielen

28. Mai 2024

Konzert in der Christuskirche begeistert mehr als 150 Harpstedter

Harpstedt – Mehr als 150 Besucher durften sich am späten Sonntagnachmittag in der Harpstedter Christuskirche über Musik der Extraklasse freuen. Unter dem Titel „Konzert für die Nachbarschaft“ spielten die aus der Samtgemeinde stammenden Hille Perl, Lee Santana und Hedwig Stahl mit weiteren Künstlern zugunsten der Wildeshauser Tafel. „Musiker reisen so viel und spielen so selten zu Hause. Darum habe ich gesagt: ,Zeigen wir doch mal den Nachbarn, was wir so machen➔“, lautete die einfache Erklärung der preisgekrönten Gambistin Perl für die zuvor ausgesprochene Einladung an die Harpstedter und Interessierte.

Den Anfang machte die Winkelsetterin auf der Viola da Gamba gemeinsam mit Lee Santana auf einer Laute. So ganz einfach sind die beiden Instrumentenfamilien nicht zu fassen, wurde deren Entwicklung doch im 15. Jahrhundert von verschiedenen Kulturen beeinflusst. Ihre Blütezeit erlebten sie während der Renaissance und im Frühbarock. Im 20. Jahrhunderts wurde die „Gambenfamilie“ wieder populärer, was vor allem einzelnen Musikern zu verdanken ist. Die gebürtige Bremerin Perl gehört zu jenen Gambistinnen. Gemeinsam mit dem Colnrader Lautenisten stellte sie einige Werke aus ihrem aktuellen Duoprogramm „European Variations“ vor.

Die musikalische Reise begann mit einem unbekannten Komponisten und einem spanischen Tanz, führte zu dem italienischen Musiker Vincenzo Bonizzi und endete vorerst bei Girolamo Kapsberger. Alle drei Interpretationen hatten internationales Niveau. Perl glänzte mit einer Virtuosität, die die Zuhörerschaft begeisterte, ebenso wie der silbrige Klang der Laute das Publikum faszinierte. Es sind Töne, die für unsere Ohren ungewöhnlich klingen, doch das Publikum wegen ihrer beinahe mystischen Ausstrahlung in ihren Bann zogen. Besonders positiv kam die Moderation mit Hintergrundwissen zu den Instrumenten, den Musikepochen und den Komponisten an.

Ein großer zeitlicher Sprung gelang den beiden Pianistinnen Stahl aus Hölingen und Kerstin Bosse aus Worpswede mit dem Klavierstück (Le Boef sur le Toit, zu deutsch: Der Ochse auf dem Dach, op. 58) von Darius Milhaud. Der französische Komponist verarbeitete in dem fast 20-minütigen Werk seine Impressionen, die er während eines Aufenthalts in Brasilien (1916-1918) gewonnen hatte. Es beginnt fröhlich mit südamerikanischen Rhythmen und entwickelt sich mit weiteren Themen sowie Melodien zu einer Art Potpourri. Das Werk ist durch seine harmonischen Reibungen und Verzerrungen gekennzeichnet. Künstlerisch souverän boten die beiden Musikerinnen die Fassung für Klavier zu vier Händen. Das offensichtlich fachkundige Publikum quittierte die Interpretation folgerichtig mit ersten „Bravo-Rufen“, bevor es in die Konzertpause ging.

Die zweite Hälfte führte zunächst in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Stephan Uhlig interpretierte drei Lieder von Hanns Eisler, politisch und künstlerisch ein Weggefährte Bertolt Brechts. Die Texte zu „O Fallada, da du hangest“, „Das VI. Wiegenlied für Arbeitermütter“ sowie „Das Lied des Händlers“ stammen aus der Feder von Brecht. Begleitet wurde der Sänger von Hedwig Stahl am Klavier.

Den Abschluss bildete mit „Hard Times, come again no more“ von Stephen Foster (1826-1874) ein gemeinsames Projekt der fünf Künstler. „Es ist eine Bitte und Erinnerung, dass während man sich an Musik erfreut, es anderen an dem Nötigsten mangelt. Mit diesem Ausklang bitten wir um großzügige Spenden zugunsten der Tafel in Wildeshausen“, so Perl. Der Eintritt zur Veranstaltung war frei.

Quelle: Kreiszeitung online 28.05.2024