Jeder Ton eine Emotion

11. März 2023

› Die Sängerin Daniela Predescu ist das Herz der Chormusik in der Region

BASSUM/HARPSTEDT Wer weiß, hätte Daniela Predescu nicht in einem Alter, in dem ihr noch alle Türen offenstanden, die berührende Geschichte der Kurtisane Violetta gehört, von Giuseppe Verdi so emotionsgeladen vertont, wäre ihr Leben ganz anders verlaufen. Diesem einschneidenden Erlebnis ist es jedenfalls zu verdanken, dass sie heute gleichsam die Seele der Chormusik in der Region ist. Für die Rubrik „Kopf der Woche“ berichtet sie von ihrem Werdegang.

Daniela Predescu kam im März 1961 in Bukarest zur Welt. Ihre Kindheit in Rumänien war geprägt von familiärem Zusammenhalt und Idylle: „Wir lebten in einem schönen, großen Haus gemeinsam mit den Großeltern“, schildert sie. Ihre Mutter war Ärztin, ihr Vater Ingenieur, und die Eltern förderten ihr einziges Kind nach Kräften. Mit vier Jahren durfte sie Klavierspielen lernen: „Ich wollte das unbedingt“, erinnert sie sich. Als sie etwas älter war, sang sie auch im Unicef-Kinderchor und wurde inspiriert von Konzert- und Theaterbesuchen. Mit dem Chor unternahm sie auch viele Reisen, jedes Jahr waren die jungen Sängerinnen und Sänger für eine Gala-Vorstellung ins Ausland eingeladen.


Eigentlich sollte sie Mathematikerin werden

Die berufliche Zukunft der jungen Daniela stellten sich die Eltern und sie aber jenseits der Bühne vor. Nach dem Besuch des Mathematik-Gymnasiums sollte sie eigentlich Mathematik studieren. Doch ein Opernbesuch änderte alles: „Als ich grade 17 Jahre alt war, ich ging in die zehnte Klasse, sah und hörte ich in Bukarest erstmals Verdis Oper ‚La Traviata‘. Ich war so ergriffen, habe während der Vorstellung fast die ganze Zeit geweint und die Arien, die im Programmheft abgedruckt waren, zu Hause gespielt und gesungen. Jeder Ton war für mich voller Emotionen. Fortan wollte ich Sängerin werden“, blickt sie zurück. Die Eltern waren erst dagegen, aber sie ließ nicht locker. Schließlich wandte ihre Mutter sich an eine Opernsängerin, die Daniela anhörte und ihre Stimme für eine Ausbildung geeignet fand. Also nahm sie Gesangsunterricht, sollte aber weiter auf das Mathematik-Gymnasium gehen. „Ich wollte aber unbedingt auf das Musikgymnasium wechseln und setzte durch, dass ich die Aufnahmeprüfung machen durfte. Die bestand ich mit der Note 1, und zwei Jahre später habe ich dort mein Abitur gemacht.

Während dieser Zeit fand ich die beste Gesangslehrerin, die ich je hatte – sie war schon 86 Jahre alt, hatte an der Mailänder Scala und an der Staatsoper Wien gesungen und ihre Stimme verloren, als sie an der Spanischen Grippe erkrankte. Sie hat mir so viel beigebracht“, gibt die Gesangsdozentin Einblick. Nach dem Abitur ging sie auf die Musikhochschule in Bukarest. Daniela Predescu konnte sich dort ihrer Gesangsausbildung widmen und fand auch ihr privates Glück, sie heiratete einen Kommilitonen. „Man sagte mir nach einiger Zeit, ich solle meine Ausbildung auf der Musikhochschule in Klausenburg fortsetzen, dort unterrichte ein Lehrer, der gut für meine Technik wäre. Für das ganze Land gab es dort pro Singstimme – Sopran, Alt, Tenor, Bass – nur drei Plätze, und ich wurde genommen – mein Mann, ein Flötist, zum Glück auch“, teilt sie mit.

Der Traum war ein Engagement in Leipzig

Als beide ihre Ausbildung beendet hatten, galt es, eine Anstellung zu finden. Die Sängerin erzählt: „Unser Traum war, nach Leipzig zu gehen. Während unserer Ausbildung kamen Gaststudenten aus der ehemaligen DDR über eine Agentur zu uns, die auch rumänische Künstler in die DDR holte. In unserem System wurde man an eine Stelle beordert, es ging nach Noten. Mein Mann und ich hatten zum Glück beide mit einer 1 abgeschlossen.

Wir bewarben uns am Opernhaus in Leipzig und bekamen zwar beide eine Stelle, durften aber nicht ausreisen und sie antreten. Stattdessen erhielten wir ein Engagement am Opernhaus in der Stadt Iasi in Moldawien.“ Der Traum blieb aber bestehen.

Währenddessen änderte sich die Situation in Rumänien immer mehr zum Negativen. „Heizung und Strom waren oft unterbrochen, es gab kein anspruchsvolles kulturelles Programm mehr, berichtet wurde fast nur noch propagandistisch über Ceausescus Leben“, sagt Daniela Predescu ernst.

So beschloss das Künstlerpaar 1990 nach dem Sturz des Staatsführers, nach Deutschland zu gehen. Ihre Eltern blieben in Rumänien. „Meine ehemalige Lehrerin gab mir die Adresse eines Künstleragenten in West-Berlin, doch als wir dort ankamen, mussten wir feststellen, dass er gestorben war. Mittlerweile hatten wir ein drei Jahre altes Kind und suchten nach einem Haus, dass uns gemeinsam engagieren würde, jedoch vergebens. Mir wurde eine Stelle in Leipzig angeboten, meinem Mann in Chemnitz“, berichtet sie weiter. Doch sie wollten nicht getrennt voneinander leben, und das Schicksal meinte es gut mit der Familie: Nach einem Vorspiel am Theater der Altmark in Stendal, einem Mehrspartenhaus mit 380 Angestellten, zeigte sich der Intendant von ihrem jeweiligen Können begeistert und schuf für sie neue Stellen.

Deutsch lernten sie durch das Sprechen am Theater und durch Liedstudien. „Dann folgte eine Zeit, in der wir viel umgezogen sind. Wir lebten in Magdeburg und Halle, ich hatte viele Vorstellungen und Engagements an verschiedenen Opernhäusern. Ich unterrichtete auch an der Kreismusikschule Stendal.

Nach sieben, acht Jahren wollte ich dann nur noch freischaffend tätig sein – vor 22 Jahren zogen wir daher von Halle nach Bassum. Unsere besten Freunde waren kurz vorher dorthin übersiedelt“, beschreibt sie ihren Werdegang weiter. Sie übernahm einige Chöre, gab Gesangsstunden und trat auch bei Konzertabenden auf. Mittlerweile leitet sie die Kirchenchöre in Nordwohlde und Asendorf, einen Frauenchor in Bruchhausen- Vilsen, den Gospel- und den Kirchenchor in Harpstedt sowie dort auch die Kirchturmspatzen, die „Harmony’s“ und den Gospelchor „Feelings“. Seit gut einem Jahr ist sie zudem Klavier- und Gesangsdozentin an der Musikschule Strings in Harpstedt.

In der letzten Zeit musste die Sängerin ihr Arbeitspensum und ihre Auftritte wegen gesundheitlicher Probleme jedoch etwas einschränken. Bis 2006 hatte ihr Mann noch seine Stelle in Magdeburg und pendelte von dort nach Bassum, wo das Paar mittlerweile ein Haus besaß. Dann drohten die Konditionen für die Musiker an seinem Theater schlechter zu werden, und Daniela Predescu riet ihrem Mann: „Komm’ nach Hause“. Wieder fügte es sich, dass der Musiker eine Lehrstelle an der Lukas-Schule übernehmen konnte. „Singen war immer das Schönste für mich, meine Erfüllung. Ich bin glücklich, dass ich das weitergeben kann – aber auch ein bisschen traurig, dass ich selbst nicht mehr auf der Bühne stehen kann“, räumt sie ein und ist doch optimistisch: „Es ist so schön zu sehen, wie die Kinder sich im Chor entwickeln.“

Von Bettina Pflaum
< Quelle: Wildeshauser Zeitung/Anzeiger v.11.03.2023 >