Harpstedt – (KREISZEITUNG - Bohlken) „Free mein Name. Sie dürfen mich Chef nennen.“ Mit diesen Worten hatte sich der Baugruppenleiter der evangelischen Christusgemeinde Harpstedt, Friedrich Free, einst Pastor Gunnar Bösemann vorgestellt. Nun, viele Jahre später, beginnt für den heute 85-Jährigen sozusagen der zweite Ruhestand.
„Kommunikationstalent brachten Sie schon aus Ihrer beruflichen Tätigkeit mit, und zwar gepaart mit Humor, Schlagfertigkeit und schnellen Augen. Sie waren viel unterwegs – lange als Außendienstler. Von daher hatten Sie ein Gespür dafür, wo Sie direkt reinmarschieren können und wo sie erst an der Sekretärin vorbei müssen“, sagte Kirchenvorstandsvorsitzender Bösemann am Montagmorgen im „Ersten Pfarrhaus“ zu Friedrich Free. Mit launiger Laudatio und Präsentkorb verabschiedeten er und Pastorin Elisabeth Saathoff den betagten Harpstedter an einem gedeckten Frühstückstisch im Kreise der Baugruppenkollegen.
Loblied zur Melodie von „Über den Wolken“
Ein selbst getextetes Loblied sang Steffen Akkermann. „Mittendrin Friedrich, von der Baugruppe Chef nur genannt. Er sagt an, was es zu arbeiten gibt – auch das, was bei allen nicht sehr beliebt“, lautete der Refrain des mit Beifall bedachten Poems zur Melodie von „Über den Wolken“. „Danke, Steffen! Das war toll. So kenne ich dich. Ich muss fast sagen: Ich hab’s erwartet“, reagierte Friedrich Free auf das Ständchen. Pastorin Saathoff stellte Zimmerermeister Franz Zawodny (75) aus Klein Köhren als seinen Nachfolger – als neuen Baugruppenleiter – vor.
„Im Jahr 2000 soll es so gewesen sein, dass Pastor Werner Richter auf Friedrich Free zugegangen ist.“ Gunnar Bösemann hatte gerade den Einstieg in seine Laudatio geschafft, als Friedrich Free schon energisch widersprach: „Nicht auf mich, sondern auf meine Frau!“ Der Pastor erwiderte, darauf komme er zurück. Jedenfalls sei es Richters Anliegen gewesen, mit Frees Hilfe eine Gruppe aufzubauen, die „in der Kirche ein paar Kleinigkeiten“ erledige. „Ich habe ein bisschen recherchiert“, fuhr Bösemann fort. Ihm fiel auf: „2000 – das war nach drei Wahlperioden das letzte Jahr Ihrer Frau Hildegard im Kirchenvorstand, Herr Free. Und das war zugleich das Jahr, in dem Sie selbst in den Ruhestand gegangen sind.“
Arbeitsbeschaffung nach Ehefrauen-Art
Gut möglich also, dass bei der Gattin ein Film im Kopf abgelaufen sei. Vielleicht habe sie sich gesagt: „Ich weiß ja nicht, ob mir die Idee gefällt, dass der Kerl jetzt immer – den ganzen Tag über – zu Hause ist.“
Bösemann malte sich gar eine „kleine Verschwörung“ zwischen Werner Richter, Kirchenvorstand und Hildegard Free aus – mit dem Ziel, „Friedrich Free zu beschäftigen“. Dieser Ruheständler habe schließlich noch genügend Kraft gehabt. Aus der Baugruppe unter seiner Leitung sei „eine ganze Ära“ geworden, sagte der Pastor. Und natürlich sei es nicht bei zu erledigenden „Kleinigkeiten“ geblieben. Bösemann: „Da kam ein neuer Pastor, damals ein junger Kerl. Gunnar Schulz-Achelis hieß der, und den musste man anfangs wohl noch etwas an die Hand nehmen. Es sei nötig gewesen, ihm ein bisschen Mut zu machen, sagten Sie mir mal, Herr Free. Dafür waren Sie genau der richtige Mann.“
Das war ein Fulltime-Job. Jedenfalls waren Sie beschäftigt, und Ihre Frau hatte ein bisschen ihre Ruhe.
Mit Schulz-Achelis kam das große Bauvorhaben Christuskirche. „Das war nicht nur eine Renovierung, sondern eine Sanierung. Da ist die Baugruppe so richtig zur Geltung gekommen“, rief der Kirchenvorstandsvorsitzende ein Kapitel Harpstedter Kirchengeschichte ins Gedächtnis zurück. Etwa 1 500 Arbeitsstunden seien innerhalb von acht Wochen geleistet worden, habe er gelesen. „Wie viele Helfer hatten Sie damals unter sich?“, wollte Bösemann wissen. Die Baugruppe habe Unterstützung von der Koems-„Rentnerbänd“, aber auch von etlichen weiteren Mitbürgern bekommen, erwiderte Free. „Es war nicht ohne, das alles zu koordinieren. Das war ein Fulltime-Job. Jedenfalls waren Sie beschäftigt, und Ihre Frau hatte ein bisschen ihre Ruhe“, schlussfolgerte Gunnar Bösemann.
In ihm steckt auch ein begnadeter Tüftler
Er wies auf nützliche Errungenschaften hin, die der begnadete Tüftler Free selbst baulich in die Tat umsetzte. „Wenn man durch die Kirche geht, findet man dort – etwas abseits – diverse Geräte, die Sie erfunden haben“, spielte Bösemann auf Wagen zum Transport von Bänken oder auch eine Hebehilfe für rückenschonendes Anheben an.
Sie haben hier immer einen freien Stuhl!
Arbeitseinsätze der Baugruppe im Zusammenhang mit sonntäglichen Kirchkonzerten vergaß der Kirchenvorstandsvorsitzende nicht zu erwähnen. Er streifte den routinierten Bühnenaufbau vorher und den zuverlässigen Rückbau hinterher.
Bösemann wusste, worauf er sich einstellen musste, wenn auf dem Telefondisplay Friedrich Frees Nummer auftauchte: „Jetzt musst du aufpassen. Da kommt Arbeit auf dich zu. Nun musst du erst mal eine Weile verhandeln.“ Der Hintergrund: „Vor jedem Baugruppentreffen gehörte es dazu, dass vorher die anstehenden Dinge am Telefon besprochen wurden.“
Satte Rabatte ausgehandelt
Gunnar Bösemann weiter: „Ich möchte nicht wissen, wie viele 1.000 Euro die Kirchengemeinde allein durch die Rabatte eingespart hat, die Sie ausgehandelt haben, Herr Free.“
Der zu Verabschiedende fand offenbar, es seien genug der lobenden Worte gefallen. „Man sollte ein bisschen Rücksicht auf mich nehmen. Ich habe noch nicht gefrühstückt“, beschwerte sich Friedrich Free im Scherz.
Einen Hinweis in seine Richtung vor der morgendlichen Stärkung aber musste Pastorin Saathoff noch loswerden: „Sie haben hier immer einen freien Stuhl!“
Quelle: Kreiszeitung Online 23.01.2023