Klein Henstedt/Harpstedt – „Gehen Sie mal zu Dieter! Der spricht aber nicht mehr.“ Dieser Bitte sei Elisabeth Saathoff während ihres 18-jährigen Wirkens als Seelsorgerin bei der Diakonie Himmelsthür in Wildeshausen für Menschen mit Behinderung gefolgt, erinnerte Dr. Jörn-Michael Schröder, Superintendent des Kirchenkreises Syke-Hoya, an eine Episode, die viel von dem zum Ausdruck bringe, was die Pastorin 14 Jahre lang auch in Harpstedt ausgemacht habe. Sie habe damals ihr Volks- und Kinderliederbuch mitgenommen und Dieter vorgesungen.
„Wow, wer macht denn so was? Näher dran geht ja kaum!“, zog Schröder den redensartlichen Hut vor der angehenden Ruheständlerin, die er am Sonntagnachmittag im Verlauf eines Verabschiedungsgottesdienstes „im Grünen“ auf dem Klein Henstedter Hof Lehmkuhl entpflichtete. Irgendwann habe Dieter wieder gesprochen. „Weil da jemand war, der in Beziehung gegangen ist“, erklärte sich der Superintendent das wundersame Geschehen, das er mit Jesu Taubstummenheilung assoziierte.
„Glaube beruht auf Beziehung“ als Leitmotiv
Die Überzeugung, Glaube beruhe auf Beziehung, habe wie ein Leitmotiv über Saathoffs Arbeit gestanden. „Du bist von Gott geliebt und ihm wichtig“ – das sei spürbar geworden, wenn die Pastorin „jede und jeden“ mit Namen angesprochen und dazu ihre oder seine Kerze entzündet habe. „Christus ist das Licht der Welt! Du bist ein Licht der Welt!“: Diese elementare Glaubenserfahrung habe sie auch in Harpstedt einschließlich der umliegenden Dörfer in vielen Begegnungen und Gesprächen mit den Menschen geteilt. Als Kirchenvorstandsvorsitzende von 2010 bis 2015, besonders nach den Verabschiedungen ihrer Pastorenkollegen Werner Richter und Gunnar Schulz-Achelis, habe sie „viel Organisatorisches stemmen“ müssen.
"Noch bevor Sie lesen konnten, haben Sie schon im Kinderchor mitgesungen. So ist es geblieben. " Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder
Für die Beziehungs- und Besuchsarbeit aber habe ihr Herz geschlagen. „Wie schön, dass Sie mit dem Besuchsdienstkreis eine engagierte Runde von Gleichgesinnten gefunden haben, die diese Aufgabe immer mehr getragen haben und weiter tragen werden“, freute sich Schröder. Den Leitsatz „Glaube beruht auf Beziehungen“ spiegele auch ihre Konfirmandenarbeit: „Da war der Anfang mit zehn Jungen und zwei Mädchen für Sie, Frau Saathoff, eher spröde.
Erst durch die Öffnung zum inklusiven Unterricht hat sich der Charakter der Arbeit mit den Jugendlichen verändert. Gemeinsam mit Henrike Mildes haben Sie eine Konfirmandenarbeit entwickelt, in der man nicht nur viel anfassen und erleben konnte. Sie war auch getragen durch beziehungsreiche Begegnungen“, bekräftigte Schröder. Ausgerechnet die Inklusion habe den Unterricht dafür geöffnet: „Welch ein Geschenk ist diese Erfahrung – für die Jugendlichen und Sie selbst!“
Die „Dieter-Episode“ passe aus einem weiteren Grund zu Elisabeth Saathoff, offenbare sie doch ihre Begeisterung für den Gesang. „Noch bevor Sie lesen konnten, haben Sie schon im Kinderchor mitgesungen. So ist es geblieben. Ihr ganzes Leben haben Sie in Chören gesungen. Die Musik, die Sie erfüllt, diese klassischen Werke mit ihrer tiefgehenden Glaubenssprache, haben Ihre Seele erreicht“, sagte der Superintendent.
"Wer sie einmal erlebt hat, der weiß beim zweiten Mal, dass Widerstand zwecklos ist." Pastor Gunnar Bösemann
Was die Gemeinde alles an Saathoff in 14 Jahren Pfarrdienst in Harpstedt geschätzt hat, fand in vielen (weiteren) Wortbeiträgen und etlichen Präsenten Ausdruck. Vom Kirchenstiftungs-Kuratoriumsvorsitzenden Dieter Claußen bis zum Posaunenchorleiter Klaus Corleis reichte die Rednerliste. In den Grußwortreigen reihten sich ebenso Gastgeberin Dörte Lehmkuhl und Samtgemeindebürgermeister Yves Nagel ein.
Beharrlichkeit und preußische Tugenden
„Das Wertvollste an der Zusammenarbeit mit Elisabeth Saathoff ist mir immer gewesen, dass es bei ihr keine Theatralik gibt, dafür aber jede Menge starke Mimik“, unterstrich Pastor Gunnar Bösemann, der Kirchenvorstandsvorsitzende. Diplomatie sei nicht das „Lieblingsding“ der Kollegin gewesen. Beharrlichkeit aber habe neben Klarheit und preußischen Tugenden zu ihren Stärken gezählt. „Wer sie einmal erlebt hat, der weiß beim zweiten Mal, dass Widerstand zwecklos ist.“ Die Praxis habe sie der Theorie stets vorgezogen, zumal sie wisse, dass „die Kraft des Faktischen uns am Ende sowieso immer einholt“.
"Hm, gibt eigentlich der Fahrer oder der Beifahrer die Richtung an?" Pastor Gunnar Bösemann
Am liebsten handele sie im Team – gern auf dem „Beifahrersitz“. Bösemann ließ schmunzelnd eine rhetorische Frage folgen: „Hm, gibt eigentlich der Fahrer oder der Beifahrer die Richtung an?“ Saathoff habe auch die Fähigkeit, sich zu entschuldigen, „wenn etwas einmal nicht gut gelaufen ist“.
„Umgestricktes“ Geburtstagslied
Nach einem bremsenden „Moment!“ aus ihrem Mund seien für gewöhnlich Sätze wie „Da müssen wir noch dran denken!“ oder „Da müssen wir noch drüber reden!“ gefallen. Bösemann: „Ich frage mich, welcher Algorithmus diese Präzision ab September, wenn du offiziell im Ruhestand bist, bei uns ersetzen kann.“ Aber ganz verliere die Gemeinde die Pastorin ja nicht: „Schön, dass wir mit dir verbunden bleiben, dass du erst einmal im Christusgarten und auf dem Friedhof mitwirken wirst!“, so der Kirchenvorstandsvorsitzende.
Etwas Wehmut und viel Musik
Wehmut schwang mit, besonders in Frauenkreis und Kinderkirche – beides von Saathoff viele Jahre begleitet. In Anbetracht der Leidenschaft der Pastorin für den Gesang kam die Gottesdienstmusik ausgiebig zu ihrem Recht. Die „Kirchturmspatzen“ sangen „Gib mir Liebe ins Herz“, „Unsere Hilfe kommt von dem Herrn“ und „Gott sei mit dir“. Der Posaunenchor unterstrich den feierlichen Rahmen instrumental. Und das Team um Annika Dehne überraschte mit dem (Kinderkirchen-)Mitsinglied „Wie schön, dass du geboren bist“ – in einer textlich von Steffen Akkermann „umgestrickten“ und auf die Ruheständlerin in spe zugeschnittenen Abschiedsversion.
Quelle: Kreiszeitung Online 03.07.2023