Pastorenpaar Hanna und Timo Rucks nimmt Abschied

17. Januar 2022

Pioniergeist der herausfordernden Art

Harpstedt – (Kreiszeitung - Bohlken 17.01.2022) Unter dem Motto „Finale“ haben sich Hanna und Timo Rucks, zwei „Kirchenpioniere“, die sich seit 2014 eine Pfarrstelle in Harpstedt teilten, am Sonntagnachmittag während eines Baustellengottesdienstes mit Live-Musik, Moderation, Laudatien und Präsentübergaben aus der lutherischen Christusgemeinde verabschiedet. Das Pastorenpaar wird nun in der Schweiz, in der Gemeinde Langenthal der evangelisch-reformierten Kirche, seine Erneuererqualitäten unter Beweis stellen können.

„Wir sind hier in Harpstedt eine bunte Gemeinde geworden. Das Schönste für Timo und mich war, dass wir als Gemeinde daran nicht zerbrochen sind. Dass wir in der ganzen Spanne von jung bis alt und der ganzen Breite der Interessen und Wünsche, wie Kirche sein soll, trotzdem um das gleiche Zentrum geblieben sind und alles, was das an Spannungen mit sich bringt, ausgehalten haben“, resümierte Hanna Rucks.

Den Pioniergeist unterstrich Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder mit Bildern aus dem Wilden Westen, die sich als roter Faden durch seine Laudatio zogen. Passend dazu beglückte er die beiden rastlosen „Finalisten“ mit Cowboyhüten.

Wir sind hier in Harpstedt eine bunte Gemeinde geworden. Das Schönste für Timo und mich war, dass wir als Gemeinde daran nicht zerbrochen sind.“

Hanna Rucks


Pioniere sähen das Leben als wunderbares Geschenk, sagte Schröder. Sie machten es sich nicht am Lagerfeuer gemütlich, sondern schauten, was sie aufbauen könnten. Solch vorausschauendes Arbeiten der Eheleute Rucks habe in Harpstedt Früchte getragen: in der gewachsenen Jugendarbeit oder der Familienarbeit. Auch recht unterschiedliche junge Menschen, einige davon sogar als „Problemjugendliche befunden“, hätten in der Gemeinde eine Heimat gefunden. „Wo sonst kann man ein Auto zerflexen und es in die Kirche transportieren?“, meinte Schröder mit Blick auf den Jugendgottesdienst zu Weihnachten.

Da kann Langenthal sich auf was gefasst machen!“

Elisabeth Saathoff


Von Pionierarbeit zeugten ebenso das moderne Baustellengottesdienstformat, das auch solche Menschen angesprochen habe, „die sonst nicht gekommen wären“, und die beeindruckende Technik, „die diese Gottesdienste zu den saftigen Wiesen von Youtube führt“. 

Ja, Pioniere könnten, wie in Harpstedt geschehen, andere Pioniere wachküssen. „Sie können aber auch nerven“, fuhr Schröder fort mit Bezug auf manche Reibereien, die offenbar mit unterschiedlichen Temperamenten und Einstellungen zu tun hatten: „In Harpstedt hat’s in den letzten Jahren öfter mal geknarzt und geknirscht“, verschwieg der Superintendent nicht. Sein bildhafter Erklärungsversuch: „Eine Gemeinde braucht eine Balance zwischen Pionieren und Siedlern. Und auch unter den Pionieren ist es immer erst auszuhandeln, wo nun genau der Weg zu den saftigen Wiesen des Westens verläuft. Das ist für beide Seiten eine Herausforderung. Und Pioniere sind nicht gerade die geduldigsten Menschen. Gleichwohl wissen auch sie, wie sehr man da draußen, in den unerschlossenen Welten, aufeinander angewiesen ist. Für das Leben dort gibt es keinen Plan, den man abarbeiten könnte. Aber immer wieder Herausforderungen, die man nur gemeinsam lösen und bewältigen kann. Das ist wohl ein Punkt, der Ihnen, liebes Ehepaar Rucks, mit am wichtigsten gewesen ist.“

 In Harpstedt hat’s in den letzten Jahren öfter mal geknarzt und geknirscht.“

Dr. Jörn-Michael Schröder


Der Humor blieb im „Finale“ nicht auf der Strecke. In Erinnerung an eine Begebenheit in der Dienstgemeinschaft mit dem Ehepaar Rucks, „als wir uns alle Katzenohren aufsetzten und mehrstimmig sangen“, meinte Elisabeth Saathoff schmunzelnd: „Da kann Langenthal sich auf was gefasst machen!“ Als Abschiedsgeschenk überreichte sie ein Insektenhotel und einen Spaten für den künftigen Garten in der Schweiz sowie „ein wenig Wegzehrung, wenn ihr morgen losfahrt“. Auch der Kirchenvorstand bedachte das Pastorenpaar mit einem Präsent. Timo und Hanna Rucks hätten in Harpstedt „viel Gutes wachsen lassen“, sagte Saathoff. „Das hat uns allen gutgetan. Wir wünschen euch, dass ihr auch am nächsten Ort Wurzeln schlagt. Gottbefohlen.“

Danke an Harpstedt, dass ihr uns echt Heimat geworden seid – nicht nur als Kirchengemeinde, sondern auch als Flecken.“ 

Hanna Rucks

 

Birgit Hosselmann, Pastoralreferentin der Pfarrei St. Anna, dankte den „Pionieren“ für gelebte Ökumene – für theologischen Austausch, technisches Knowhow, auch auf Weltgebetstagen, Offenheit sowie „eure Neugier, gutes Teamwork, Kakao im Garten und Kaffee im Wohnzimmer“. Weitere Worte zum Abschied sprachen Moderator Manfred Sander, Kirchenvorsteherin Andrea Müller-Wiesner und Samtgemeindebürgermeister Yves Nagel. Humorvolle Inneneinsichten steuerte der Kirchenvorstandsvorsitzende Gunnar Bösemann in Döntjes-Form bei, um dann in aller Ernsthaftigkeit zu bilanzieren: „Ihr habt beide eure besonderen Begabungen hier in Harpstedt mit großer Energie eingetragen und damit viel bewegt. Dafür danken wir euch im Namen der ganzen Kirchengemeinde.“

Nach „The final Countdown“ am Anfang des Gottesdienstes erklang am Ende des „Finales“ die Hymne „Time to say Goodbye“ – stimmungsvoll illuminiert von im Takt der Musik wiegenden Smartphonelampen der Kirchgänger.

 Ich habe jetzt ein Bild von einer Kirche, die ich mir für die Zukunft wünsche.“

Timo Rucks


„Danke an Harpstedt, dass ihr uns echt Heimat geworden seid – nicht nur als Kirchengemeinde, sondern auch als Flecken“, sagte Hanna Rucks in ihrem Schlusswort. Ein besonderes Dankeschön zollte sie der Dienstgemeinschaft, in der „wir durch gute und schlechte Zeiten gegangen sind und uns immer als Team gefühlt haben“, sowie dem Kirchenvorstand.

Ihr Ehemann Timo wandte sich ein allerletztes Mal direkt die Gemeinde: „Ihr glaubt ja gar nicht, wie dankbar ich euch bin, dass ihr mich so vorangebracht habt. Ich habe jetzt ein Bild von einer Kirche, die ich mir für die Zukunft wünsche.“

Quelle: Kreiszeitung Online vom 17.01.2022