Große Gefühle und überschäumendes Temperament

27. November 2022

Harpstedt – (Kreiszeitung - Jürgen Bohlken) „Für mich hat Harpstedt etwas mit Essen zu tun. Wir haben hier Freunde, mit denen wir zweimal jährlich grillen“, verriet Pianist Thomas Blaeschke den rund 200 Besuchern, die am Samstagabend das Duo „Voice Over Piano“ nach einem über zweistündigen Konzert mit Standing Ovations feierten. Er und seine musikalische Entdeckung, die Sängerin Sarah Dähn, harmonierten prächtig auf der Bühne.

Sie servierten dem Publikum einen deutsch-englischsprachigen Cocktail aus Musical-Extrakten, Weihnachtsliedern, Pop und eigenen Stücken.

Für einen Gänsehautmoment sorgte Sarah Dähn, als sie ihrer verstorbenen Großmutter mit dem selbst getexteten Titel „Sternenstaub“ ein Denkmal setzte. Aus den Versen sprach weniger Trauer als vielmehr Freude über das, was weiterlebt von einem großartigen Menschen. Dass die Sängerin im Musicalfach zu Hause ist, offenbarte sich in den Titeln, in denen sie ihre stärksten gesanglichen Leistungen abrief: etwa in „Die Welt, die ich nie sah“ aus „Sister Act“ oder „Die Schöne und das Biest“. Scheinbar mühelos gelang es ihr auch, im hymnenhaften „You raise me up“ von Josh Groban, bekannt geworden in der „Westlife“-Fassung, oder der „Voice over Piano“-Eigenkreation „Von heute an“ große Gefühle zu transportieren. Bei „Purple Rain“ kam sie vor der Pause zwar nicht ganz an das Prince-Original heran; dafür bot das Opus den Begleitmusikern Mark Wetjen (Schlagzeug), Klaus Heuermann (Bass) und Frederik Drobnjak (E-Gitarre) Gelegenheit, ihre musikalische Qualität zu zelebrieren.

Glühwein im Gotteshaus

Die Mitwirkung der Band nahm das Publikum, als Überraschung wahr. Sarah Dähn und Thomas Blaeschke hatten kurzfristig entschieden, zu fünft statt zu zweit nach Harpstedt zu kommen, weil dort ein recht großes Publikum auf sie wartete. Das allerdings machte es erforderlich, das Programm komplett umzustricken.

Und noch etwas überraschte: Das Gotteshaus war geheizt, und die Weinstandgruppe bot sogar Glühwein an, der reißenden Absatz fand.

„All I want for Christmas“ mit leicht lasziver Note

Thomas Blaeschke, zwar der Kopf, aber nicht der Star des Duos, überzeugte als musikkundiger und charmanter Conférencier. Er setze zudem alles daran, anfängliche soundtechnische Probleme in den Griff zu bekommen, was auch gelang. Sarah Dähns große Stärke: ihre Wandlungsfähigkeit. Mariah Careys „All I want for Christmas“ sang sie in einem balladesken, leicht lasziven Arrangement. Ihre temperamentvolle Seite kehrte sie zu Beginn in „Komm mit mir bis ans Ende der Welt“ genauso nach außen wie in „Cool“, einer Eigenkomposition, die „Voice Over Piano“ den Soul-Preis bescherte. Für „Hallelujah“ habe Leonard Cohen über 80 Strophen geschrieben, verriet Blaeschke. Dem Duo, das nach dem Konzert viel Lob einheimste und gern Autogramme gab, reichten drei für einen weiteren emotionalen Höhepunkt.

Ein Medley aus amerikanischen Weihnachtsliedern animierte zum Mitklatschen – und „Stille Nacht, Heilige Nacht“, das sich nach einer improvisierten Ouvertüre „herausschälte“, zum Mitsingen. „Das war mehr als nur ein Lückenbüßer für Godewind. Ein richtiges Highlight“, urteilte eine Zuhörerin nach Peter Alexanders „Die Rose“ als Zugabe.

 

QUELLE: Kreiszeitung Online v. 27.11.2022