Ein beinahe perfektes Konzert
Harpstedt – (Kreiszeitung 30.11.2021 - Rinne) Mit Justus Frantz hat am Sonntagabend einer der wohl prominentesten Pianisten Deutschlands in der Harpstedter Christuskirche gastiert. Dass er kein perfektes, wohl aber ein beinahe perfektes Konzert ablieferte, lag am Steinway-Flügel im Gotteshaus. Der Starpianist haderte ein ums andere Mal mit dem Instrument, das, wie er bemerkte, „die besten Tage wohl hinter sich hat“.
Als Künstler mit weit mehr als 50 Jahren Bühnenerfahrung weiß Frantz natürlich nur zu gut, dass ein Veranstalter wie die Konzerte-AG der evangelisch-lutherischen Christusgemeinde Harpstedt nicht 100 .000 Euro in einen Konzertflügel investieren kann. Er stellte sein Programm auf das nicht perfekte Arbeitsgerät um und nahm die Sache mit viel Humor.
Justus Frantz lebt für die Musik. Er will die Klassik einem breiten Publikum nahebringen. Das gelingt ihm unter anderem damit, dass er seinem Publikum die Werke erläutert, bevor er sie aufführt. Zu Mozarts Sonate Nr. 11 in A-Dur, KV 331, hat er nach eigenem Bekunden einen sehr persönlichen Bezug. „Meine Mutter empfand den ersten Satz immer als sehr traurig“, erzählte der Künstler in der ihm eigenen – charmanten – Art. Er selbst sieht in dem Eingangssatz (Exposition) einen Schlüssel zu Mozarts Musik, in der Trauer und Freude dicht beieinanderlägen. Der dritte Satz „Alla turca“ hat als „Türkischer Marsch“ Bekanntheit erlangt. „Es war der Schlager des ausgehenden 18. Jahrhunderts“, sagte Frantz und gestand: „Ich kann mich dem Zauber des Stücks nie entziehen.“
Ich kann mich dem Zauber des Stücks nie entziehen.“
Als nächster Programmpunkt folgte Beethovens „Mondscheinsonate“. Der Interpretation ging wiederum eine Einführung mit Tonbeispielen voraus. „Beethoven versucht im ersten Satz die Unerbittlichkeit der Zeit darzustellen“, erläuterte Frantz und intonierte auf dem Steinway sogleich den triolischen Rhythmus zu Beginn des Werkes.
Kaum ein Pianist unserer Zeit spielt Mozart so schön wie er.“
Chopin stand im Mittelpunkt des zweiten Teils. Hier erlebten die Zuhörer zwei „Beinahe-Premieren“ – zunächst die Fantasie in f-Moll, op. 49 von Frédéric Chopin und dann die Barcarolle Fis-Dur, op. 60. Beide Werke hatte Justus Frantz während des Lockdowns einstudiert. In Harpstedt führe er sie „fast zum ersten Mal“ auf, verkündete der Pianist mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Seit Beginn der Pandemie habe er über 140 Konzerte absagen müssen, bedauerte er.
Die „Fast-Premieren“ boten dem Künstler Gelegenheit, damit zu kokettieren, dass er im Herbst des Lebens angekommen ist. „In unserem Alter kann man doch keine Stücke mehr einstudieren“, sollen Christoph Eschenbach und Valerie Gergiev, mit denen Frantz befreundet ist, ihm entgegengehalten haben. Doch darauf zu verzichten, wäre dem 77-Jährigen zu langweilig – zum Glück für sein Publikum.
Ex-Oberbürgermeister unter den Besuchern
Die Besucher in der Harpstedter Christuskirche zeigten sich nach dem mehr als zweistündigen Konzert absolut begeistert. Sie verabschiedeten den Künstler nach drei Zugaben stehend applaudierend.
Der evangelischen Kirchengemeinde Harpstedt ist dafür zu danken, dass sie in dieser Zeit ein solches Konzert auf die Beine stellen konnte.“
Dieter Holzapfel, Ehrenpräsident des DRK-Landesverbandes Oldenburg und prominenter Zuhörer, brachte es im Nachhinein auf den Punkt: „Justus Frantz hat wieder einmal bewiesen, dass er nicht nur ein großer Musiker ist, sondern auch die Fähigkeit besitzt, Menschen mit seiner Passion zu packen. Kaum ein Pianist unserer Zeit spielt Mozart so schön wie er. Die A-Dur Sonate gelang deswegen auch besonders gut. Hier spürt der Zuhörer geradezu eine Seelenverwandtschaft. Justus Frantz ist ein Musiker, der sich die Musik mit dem Verstand erschließt, sie aber mit dem Herzen spielt. Es war ein inspirierender Klavierabend. Der evangelischen Kirchengemeinde Harpstedt ist dafür zu danken, dass sie in dieser Zeit ein solches Konzert auf die Beine stellen konnte“, resümierte der ehemalige Oldenburger Oberbürgermeister.
Quelle: Kreiszeitung Online 30.11.2021