„Es würde der Gemeinde guttun, diakonischer zu werden“, sagt Pastorin Elisabeth Saathoff und erinnert damit an eine der Grundtugenden des Christentums: Nächstenliebe. Der Besuchsdienst der Harpstedter Christusgemeinde folgt diesem Anspruch – immer, wenn ein 85. Geburtstag ansteht.
Harpstedt – (Kreiszeitung 21.01.2020 - „Wir gehen auch dort hin, wo sonst niemand kommt“, sagt Pastorin Elisabeth Saathoff. Die 61-Jährige hat im Oktober 2017 den Besuchsdienstkreis der Christusgemeinde Harpstedt ins Leben gerufen. Die acht Frauen besuchen alle Gemeindemitglieder, die 85 Jahre alt werden – 2019 waren das 56 Personen. Wer den 80., 90. oder 100. Geburtstag feiert, wird von Saathoff persönlich beglückwünscht.
Mit der Gründung einer Gruppe von Ehrenamtlichen, die einige ihrer Termine übernehmen, hat sich die Pastorin lange beschäftigt. Zum Einstieg organisierte sie einen Seminartag mit einer kirchlichen Beraterin. Das sei wichtig gewesen, um sich auf die unbekannte Situation, fremde Menschen zu ihrem Geburtstag zu treffen, vorzubereiten, finden Andrea Müller-Wiesner und Ines Ahlers. Die Harpstedterinnen gehörten – wie sämtliche der acht Aktiven – von Anfang an zum Besuchsdienstkreis. Alle sechs Wochen treffen sich die Ehrenamtlichen, teilen die anstehenden Termine auf und diskutieren Themen, die bei ihrer Tätigkeit aufkommen.
Eines davon ist Demenz. Etwa ein Viertel der Jubilare erlebe den 85. Geburtstag nicht mehr zu Hause, berichtet Saathoff. „Im Altenheim wissen die Leute manchmal gar nicht, dass sie Geburtstag haben“, erzählt Müller-Wiesner. In solchen Fällen könne das kleine Heft mit Bildern, Liedern und Texten, das die Frauen und die Pastorin als Präsent mitbringen, helfen. Jedes Jahr bestellt Saathoff ein anderes bei einem christlichen Verlag – es soll schließlich niemand zweimal das gleiche Büchlein bekommen.
Anteil zu nehmen, ist wichtig, aber schwierig
Andere Jubilare erzählten ihren Besucherinnen gern und viel: von der Familie, aus ihrem Berufsleben oder von ihrem Befinden. Auch wenn die Senioren körperlich immer fitter würden, gebe es viele, die sich einsam fühlten oder über etwas sprechen wollten, das sie belaste, beobachtet Saathoff. „Die erste Aufgabe ist – und das ist die schwerste –, Anteil zu nehmen.“ Es gehe nicht darum, den Menschen Ratschläge zu erteilen, sondern sich einfach Zeit für sie zu nehmen und zuzuhören. Es auszuhalten, wenn das Gegenüber von Leiden oder Sorgen spricht, ohne sofort einen Veränderungsvorschlag zu machen, sei wichtig. „Es bleibt immer die Erfahrung: Es ist jemand bei mir sitzen geblieben“, betont die Pastorin den besonderen Charakter der Besuche.
Wie lange das dauere, unterscheide sich stark, erzählt Müller-Wiesner. „Es werden schnell anderthalb Stunden. Aber es hat auch schon Besuche gegeben, bei denen die Kolleginnen zweieinhalb Stunden waren.“ Diese Zeit sei nicht nur für die Senioren ein Gewinn, sagt Ahlers. „Es ist auch eine Bereicherung für uns.“ Ohne großen Aufwand anderen Menschen eine Freude zu bereiten, sei eine schöne Erfahrung.
Der Besuchsdienst schneit allerdings nicht einfach so ins Haus. Aus der Mitgliederkartei der Gemeinde sucht die Sekretärin die Jubilare heraus und gibt die Liste an die Ehrenamtlichen weiter. Diese rufen dann vorab bei den Senioren an, um einen Termin zu vereinbaren. „Sehr häufig kommen wir dann am Tag nach dem Geburtstag“, sagt Müller-Wiesner. Dann sei die Aufregung der Feier vorbei und es kehre Ruhe ein. Doch manchmal werden die Besuchsdienstlerinnen auch Teil einer großen Runde – wie es den Jubilaren gefällt.