Aufregung der positiven Art
Harpstedt – Eine U 25-Lektorenausbildung hat Emma Pössel aus Harpstedt absolviert. Dem 25. Oktober sieht die Gymnasiastin mit Vorfreude und „positiver Aufregung“ entgegen. An jenem Sonntag darf sie erstmals einen 10-Uhr-Gottesdienst in der Harpstedter Christuskirche gestalten. Sie wünscht sich, dass dies keine Eintagsfliege bleibt, verrät die 17-Jährige im Interview.
Dass du, Emma, Junglektorin werden wolltest, lässt eine Affinität zur Kirche vermuten. Trifft das bei dir zu?
Ja, ich bin hier in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Harpstedt nach meiner Konfirmation ehrenamtlich als Teamerin eingestiegen. Ende 2019 bekam ich angeboten, die U 25-Lektorenausbildung zu durchlaufen. Ich habe mich dafür entschieden, weil mir das Ehrenamt als Teamerin immer sehr viel Spaß gemacht hat. Wir Absolventen haben in dem Seminar im Wesentlichen das gemacht, was auch eine „normale“ Lektorenausbildung beinhaltet.
Du hast den Kurs zusammen mit Matti Ertel durchlaufen, der ja auch aus der Jugendarbeit der evangelischen Christusgemeinde Harpstedt kommt.
Genau. Wobei der Kurs, der in Barnstorf geplant war, wegen der Coronapandemie einen etwas anderen Verlauf nahm. Wir waren vier statt fünf Wochenenden in der Ausbildung. Wir haben zu Hause selbstständig eine Lesepredigt erarbeitet. Da stecken allein jeweils zwei oder drei Stunden Arbeit drin, schätze ich.
Deine erste Lesepredigt vor der Gemeinde hältst du am 25. Oktober?
So ist es. Lektoren dürfen allerdings keine eigenen theologischen Gedanken formulieren. Dafür sind wir nicht ausgebildet. Das Predigen ist uns gleichwohl gestattet. Auf der Grundlage des theologischen Gedankens eines Pastors oder einer Pastorin dürfen wir eine Lesepredigt verfassen und auch halten.
Bekommst du im Gottesdienst Unterstützung von Pastorin Elisabeth Saathoff, deiner Mentorin?
Die Gestaltung übernehme ich tatsächlich alleinverantwortlich. Ich darf sogar den Segen erteilen. Zu den Lektorenaufgaben gehört es unter anderem auch, den musikalisch Mitwirkenden vorher die Lieder mitzuteilen, die gespielt werden sollen. Meine Mentorin wird allerdings natürlich anwesend sein und sich außerdem hinterher mit mir zusammensetzen, um mir ein Feedback zu geben.
Hast du Lampenfieber?
Derzeit kaum, zumal der Gottesdienst ja noch nicht unmittelbar bevorsteht. Ein bisschen aber schon. Für mich ist das etwas sehr Aufregendes. Mich beschäftigt vor allem die Frage, wie die Gemeinde wohl auf mich als eine so junge Lektorin reagieren wird. Darauf bin ich wirklich sehr gespannt. Ich verspüre eher positive Aufregung als Lampenfieber, zumal ich in der Ausbildung ja bereits eine Lesepredigt gehalten habe.
Online oder „Präsenz“?
Letzteres. Die Kursteilnehmer haben jede Predigt kleinlich auseinandergenommen und auch mir ein sehr detailliertes Feedback gegeben.
Was wird dein Thema am 25. Oktober sein?
Der für jenen Sonntag vorgesehene Bibeltext stammt aus dem Markus-Evangelium.
Um welche Geschichte geht es da genau?
Die Jünger sind mit Jesus unterwegs. Es ist Sabbat. Das heißt: Arbeiten ist eigentlich nicht erlaubt. Auf ihrem Weg durch ein Kornfeld fangen die Jünger trotzdem an, Körner zu „pflücken“, weil sie so hungrig sind. Leute, die sie antreffen, schimpfen deshalb mit ihnen. In meiner Lesepredigt beschäftige ich mich mit der Frage, was Arbeit und was Vergnügen ist. Ich will zum Ausdruck bringen, wie wichtig gelegentliche Auszeiten vom Job sind. Die Botschaft lautet: Der Mensch soll unter dem Sabbat nicht leiden. Der Feiertag ist vielmehr eine Chance für eine positive Auszeit. Sich Zeit zu nehmen, in der man nicht arbeitet, fällt vielen Menschen heutzutage nicht leicht. Auch mir erging das beim Homeschooling während der Coronakrise so. Irgendwie habe ich mit meinen Gedanken immer in der Schule gesteckt.
Hat Pastorin Saathoff deine Predigt schon gelesen?
Noch nicht. Aber es wird am Freitag vor dem Gottesdienst eine Generalprobe geben. Dabei werde ich die Lesepredigt dann auch schon halten. Meine Mentorin liest mit mir noch einmal drüber. Sollte ihr etwas auffallen, bleibt genug Zeit, die eine oder andere Kleinigkeit zu ändern.
Möchtest du auch nach deinem Gottesdienst-Debüt, etwa an Lektorensonntagen, gelegentlich als Predigerin einspringen?
Ich hoffe, dass dies keine Eintagsfliege bleibt, sondern Matti und ich der Gemeinde auf längere Sicht als Lektoren zur Verfügung stehen.
Die Motivation zu der Ausbildung erklärt sich aus deiner Arbeit als Teamerin, hast du angedeutet.
Ja, ich habe das immer supergerne gemacht, und das ist auch immer noch so. Ich denke inzwischen sogar ernsthaft über ein Theologiestudium nach. Mein Gefühl sagt mir: Das ist mein Ding! Manche Jugendliche sind total sportlich, andere können grandios ein Instrument spielen. Beides liegt mir nicht besonders. Ich kann aber nach eigener Einschätzung gut Texte schreiben und Botschaften transportieren. Das ist mir auch in der Jugendarbeit bestätigt worden. Mit der Entscheidung über meinen weiteren Werdegang kann ich mir ja noch etwas Zeit lassen. Momentan sitze ich übrigens an der katholischen Liebfrauenschule in Vechta in einem evangelischen Religions-Leistungskurs.
Hintergrund: U25-Lektoren
Hinter den U 25-Lektoren verbirgt sich ein neues Programm der Hannoverschen Landeskirche, das darauf zielt, junge Menschen für die eigenverantwortliche Mitwirkung im Gottesdienst zu gewinnen. Aus der Christusgemeinde Harpstedt nahmen Emma Pössel und Matti Ertel an der Ausbildung teil. Sie lernten etwas über die Liturgie, formulierten selbst Gebete und arbeiteten an ihrem Auftreten vor der Gemeinde. Als Mentorin stand Pastorin Elisabeth Saathoff der 17-jährigen Emma Pössel zur Seite. Pastor Gunnar Bösemann übernahm das Mentoring für Matti Ertel. Elisabeth Saathoff freut sich nach eigenem Bekunden riesig, „dass wir nun zwei junge Leute mit dieser guten Ausbildung zur Verfügung haben“.
Von Jürgen Bohlken (Kreiszeitung Online 15.10.2020)