Hermann Bokelmann: „Konfirmation verspätet, aber in Frieden und Freiheit“
Harpstedt – (Kreiszeitung - 18.04.2020) Viele Konfirmanden hätten an diesem Sonntag sicher gern ihre Konfirmation in Harpstedt gefeiert. Doch wegen der pandemiebedingten Kontaktverbote ist die Einsegnung in den September verschoben worden. Nicht schön, aber es gibt Schlimmeres, findet Hermann Bokelmann. Er selbst habe seinen Enkeln bei deren Konfirmation gesagt: „Seid glücklich, dass ihr in dieser Zeit aufgewachsen seid! Als ich 1943 konfirmiert wurde, waren Harpstedt und die angrenzenden Dörfer schwer bombardiert worden. Das Dach der Kirche – beschädigt. Die Fensterscheiben – zerstört. Die Fenster – mit Brettern vernagelt. Erst 1949 waren die letzten Scheiben ersetzt“, erinnert sich der frühere Harpstedter Bürgermeister und ergänzt: Das könne doch ein Trost für die jetzigen Konfirmanden sein. Seine Botschaft an sie lautet: „Seid glücklich, dass ihr in Frieden, Freiheit und Wohlstand eure Konfirmation erlebt, wenn auch mit etwas Verspätung!“
Was Jahrgänge von Vorkriegskonfirmanden erlebten, realisierte Bokelmann, als er das Poesiealbum seines Bruders Fritz las. Der kam 1920 zur Welt, wurde 1934 konfirmiert und fiel im Krieg – am 1. Dezember 1944. Von den 39 Mitkonfirmanden, deren Sprüche in dem Büchlein stehen, kannte Hermann Bokelmann nur 13 Namen. „In der Kirchengemeinde Harpstedt hatten 26 Jungen des Jahrgangs 1920 ihr Leben im Zweiten Weltkrieg verloren. Insgesamt brachte der von 1939 bis 1945 währende Krieg 279 Männern aus dem Kirchspiel den Tod. Ihre Namen stehen auf 22 Messingtafeln in der Ehrenhalle im Turm der Christuskirche. Auf Holztafeln mit der Überschrift ,Noch nicht heimgekehrt' standen 160 Namen von Vermissten, die alle nicht mehr heimgekehrt sind“, weiß der Altbürgermeister.
Viele Jungen und Mädchen seien nach dem Krieg ohne Vater aufgewachsen. „Daran bei heutigen Konfirmationen zu erinnern“, hält Bokelmann für angebracht, „um deutlich zu machen, wie wichtig Frieden und Freiheit sowie das persönliche Engagement dafür sind“.
Besagtes Poesiealbum habe ihn gleichzeitig daran erinnert, „dass in meiner Konfirmandenzeit bei den sonntäglichen Gottesdiensten immer wieder Kränze für die Gefallenen an der Empore der Kirche aufgehängt wurden“. An erster Stelle im Büchlein seines gefallenen Bruders stehe eine Eintragung von Pastor Adolf Schulz, der 1934 den Konfirmationssegen spendete. „Ein Jahr später wurde er von den Nazis bedroht und wählte den Tod“, ruft Bokelmann den Suizid des Geistlichen unter dem Einfluss nationalsozialistischer Schikane ins Gedächtnis zurück.
Von besagten Poesiealbum-Eintragungen der Mitkonfirmanden verdienten viele Erwähnung. Auch Heinrich Niehaus aus Annen habe sich verewigt. „Er ist bereits am 9. Juli 1941 gefallen. In der 800-Jahr-Chronik der Gemeinde Groß Ippener stehen sein Name sowie auch die seiner Brüder Karl, gefallen am 1. Dezember 1942, und Johann, gefallen am 15. Februar 1943. Nur der 1931 geborene vierte Sohn Hermann blieb den Eltern. Ich habe die Familie 1950 als junger Landbriefträger kennengelernt und gespürt, wie Mutter Niehaus gelitten hat“, erzählt der Altbürgermeister.
Abschließend leitet er zu den Goldkonfirmanden über, die kürzlich, am 5. April, ihre 50 Jahre zurückliegende Einsegnung feiern wollten. Auch daraus wird wegen der Pandemie vorerst nichts. Bokelmann: „Mögen sich die Jubilare damit trösten, dass es ihnen vergönnt war, ihr ganzes Leben in Frieden und Freiheit zu leben! Denken wir an unseren glücklichen Tagen an alle, die dieses Glück nicht hatten, und sorgen wir mit für Frieden auf der Welt!“
Quelle: Kreiszeitung Online v. 18.04.2020