Der steinige Weg zu mehr Nachhaltigkeit
Harpstedt - Von Jürgen Bohlken . Wasser predigen und Wein trinken? Nein, so halten es die Harpstedter Pastoren Timo und Hanna Rucks nicht mit dem Klimaschutz. Dahinter steht schließlich die Bewahrung der Schöpfung.
„Wir haben wegen der Klimafrage Verschiedenes in unserem Leben umgestellt“, sagt Hanna Rucks – und nennt Beispiele: „Wir nutzen mehr als früher das Fahrrad. Wir fahren mehr mit dem Zug – auch in den Urlaub. Auf Flugreisen verzichten wir schon seit mehreren Jahren. Wir haben uns tatsächlich unseren eigenen CO2-Fußabdruck angeschaut und uns Gedanken gemacht, wo wir überhaupt im Lebensstil ,sparen’ könnten, damit weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt.“
Einige Möglichkeiten gibt es, erkannte die Familie Rucks. So bemüht sie sich, die Wohnräume weniger stark zu heizen als früher und beim Stromverbrauch alle sich auftuenden Einsparpotenziale zu nutzen.
„Schon seit längerer Zeit essen wir fleischreduziert“, erläutert Hanna Rucks. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Erderwärmung leuchtet vielen Verbrauchern nicht unmittelbar ein: Tierische Lebensmittel schneiden aber nachweislich in der Klimabilanz vergleichsweise schlecht ab. Fleisch, Käse und Butter verbrauchen in der Herstellung deutlich mehr Energie als Obst und Gemüse. Eine Folge davon ist ein erheblich höherer CO2-Ausstoß. Aus der Rinderhaltung resultieren Emissionen von Methan, das sehr viel klimaschädlicher wirkt als Kohlendioxid, und der hohe Bedarf von Soja als Futtermittel, vor allem für Schweine und Geflügel, trägt zu großflächigen Waldrodungen bei. Solche Faktoren verschlechtern die Klimabilanz von Fleisch; als besonders schlecht gilt die von Rind: Jedes Kilo, das hierzulande über den Tresen geht, entspricht laut Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg einem durchschnittlichen Äquivalent von gut zwölf Kilogramm CO2 (bei Schwein sind es vier Kilo – ähnlich wie bei Geflügel).
Dass der Transport von Nahrungsmitteln über lange Strecken sowie die Herstellung, Wiederverwertung oder Verbrennung von Verpackungen ebenfalls zum Klimawandel beitragen, hat die Familie Rucks dazu ermuntert, mehr bei den örtlichen Direktvermarktern einzukaufen. Der Preis, so die gemachten Erfahrungen, müsse nicht grundsätzlich deutlich höher als im Supermarkt sein. „Fleisch direkt vom Hof ist allerdings schon um einiges teurer. Aber wenn man davon weniger konsumiert und isst, hebt sich das wieder auf“, sagt Hanna Rucks.
Ehrlich gesteht sich die 37-Jährige gleichwohl ein: „Der Verbraucher kann nicht so viel für das Klima tun, wie er eigentlich sollte. Die von der Wissenschaft gesetzte Schmerzgrenze von zwei Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß pro Jahr und Person einzuhalten, funktioniert nicht, weil das System das schlicht nicht zulässt.“ Da gebe es etwa das Problem der nicht hinreichenden Transparenz: „Ich sehe es vielen Produkten gar nicht an, welchen CO2-Fußabdruck sie in die Welt gesetzt haben. Ich kann ja oft noch nicht einmal feststellen, von wo aus ein Erzeugnis hierher transportiert worden ist. Will ich bewusst einkaufen, sind mir ein Stück weit die Hände gebunden.“
Systembedingte Zwänge setzten einem klimafreundlichen Leben Grenzen, verdeutlicht die Pastorin an Beispielen: „Viele Menschen können aus Kostengründen nicht in der Stadt leben und müssen zu ihrer Arbeitsstelle pendeln, weil der Öffentliche Personennahverkehr nicht hinreichend ist.“ Ein ähnliches Manko erkennt die Pastorin in der Energieversorgung: „Wir haben Ökostrom. Aber es ist nicht möglich, alle damit zu versorgen. Das heißt, wenn ich Ökostrom kriege, dann wird dafür beispielsweise irgendeine Firma ein bisschen mehr Kohlestrom beziehen.“
Solche Beispiele zeigten sehr deutlich: Nicht nur der einzelne Bürger, sondern auch „das System“ müsse sich „ein ganzes Stück umstellen“, damit die Entwicklung beim Thema Klima „in die richtige Richtung“ gehe.
Sabine Jarjir engagiert sich in der vom „freiraum“ angeschobenen Klima-AG und ist am Freitag aktiv in die Klima-Kundgebung auf dem Harpstedter Marktplatz eingebunden gewesen. Ihr ökologischer Fußabdruck sei trotz aller Anstrengungen immer noch so hoch, dass es mehr als eine Erde bräuchte, damit er klimaverträglich wäre, gibt sie offen zu. „Dabei“, so erläutert sie, „verzichte ich schon weitgehend auf den Konsum von Fleisch und benutze lieber das Fahrrad als das Auto. Ich habe Blühwiesen auf meinem Grundstück angelegt, kaufe Obst und Gemüse am Biomarktstand oder ohne Verpackung im Supermarkt. Meine kaputten Dinge repariere ich selbst oder gehe damit ins Repaircafé. Ich achte einfach bei allem auf Nachhaltigkeit.“
Quelle: Kreiszeitung Online 20.09.2019 - Bohlken