Harpstedt - Von Anja Rottmann. „Es kann heute nichts schiefgehen. Unter unseren Darstellern ist ja euer Pastor Timo Rucks“, sagte Regisseur Peter Henze am Sonntagnachmittag augenzwinkernd zu Beginn der Aufführung „Viva la Reformation – Ein Fest für Luther“ in der voll besetzten Harpstedter Christuskirche. Die Theatergruppe „firmierte“ dabei unter dem Namen „Luthers Erben“.
Das Theaterprojekt fußt auf einer Idee der Pastoren aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya. Die Geistlichen hatten sich vorgenommen, anlässlich des Lutherschen Thesenanschlages von vor 500 Jahren an die Schlosskirche zu Wittenberg ein eigenes „Lutherstück“ aufzuführen. Mit diesem Anliegen traten sie an Regisseur Peter Henze aus Arbste bei Asendorf heran.
Das Resultat der Arbeit: modernes, zeitgemäßes Theater, das unter Mitwirkung von 16 Pastorinnen und Pastoren gleichermaßen witzig wie selbstironisch daherkommt. Es huldigt keineswegs unkritisch dem großen Reformator. Es hat ebenso etwa das Frauenbild im Mittelalter oder das schwierige Verhältnis zu den Juden im Blick, das Luther nachgesagt wird. Kurzum: Bei allen Verdiensten um die Erneuerung der Kirche kommen die Schattenseiten nicht zu kurz. Zugleich nimmt hinter dem Reformator ein durchaus auch politischer Mensch Gestalt an.
Luther ließ auf sich warten
„Die Szenen wurden während der Proben immer mal wieder verändert. Es stellte sich allerdings schon als schwierig heraus, zeitlich alle Darsteller zusammenzubekommen“, verriet Miriam Unger, Pressesprecherin der Kirchenkreises Syke-Hoya. Die Journalistin führte während der Aufführung mehrere fiktive Telefonate mit Luther höchstselbst, der wegen eines angeblichen Staus auf der Autobahn auf sich warten ließ.
Dessen Bekanntschaften mit dem Ablassprediger Johann Tetzel und mit dem radikaleren Reformator Thomas Müntzer entpuppten sich als Höhepunkte des Stückes. Der Eystruper Pastor Thies Jarecki spielte Martin Luther mit Leidenschaft. Timo Rucks aus der evangelischen Christusgemeinde Harpstedt schlüpfte gleich in drei Rollen: Er mimte Luthers Gegenspieler Thomas Müntzer sowie eine fiktive Person und sich selbst.
Kirchenmusiker Dietrich Wimmer untermalte Szenen mit Orgelmusik und bekam fast einen (gespielten) Nervenzusammenbruch, bis er in bester Luther-Manier die Kirche mit einem „Leckt mich am Arsch“ verließ.
Fragen, die zum Nachdenken anregen
Das Stück mündete in Fragen, die in die Gegenwart und Zukunft gerichtet sind – und zum Nachdenken anregen. Peter Henze hatte das Augenmerk darauf gelegt, was Luther zu seiner Zeit wollte, was davon nach wie vor seine Berechtigung hat und was heute kritisch gesehen wird. Sein Stück ermuntert dazu, die Aufarbeitung der Reformation im Blick zu behalten und zu überlegen, wie die Erneuerung weitergehen kann. Die vielleicht wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Was braucht die Kirche eigentlich im Jahr 2017, um für die Menschen „relevant“ zu sein?
„Hier und heute hat sich eine geballte theologische Fakultät von 16 Personen mit dem Thema beschäftigt. Es hat mir viel Spaß und Freude gemacht, das Stück gemeinsam mit ihnen aufzuführen“, bekundete der Regisseur.
Mit brandendem Applaus belohnte das Publikum seine Arbeit und die der Darsteller. Lob auf den Regisseur kam von Dr. Jörn-Michael Schröder, dem Superintendenten des Kirchenkreises, der ebenfalls zu den Mitwirkenden zählte: „Du hast in vielen, vielen Proben unermüdlich mit uns geübt. Herzlichen Dank für deine tolle Arbeit mit uns. Ebenfalls möchte ich mich im Namen von uns allen bei Dietrich Wimmer bedanken, der uns heute nicht nur musikalisch, sondern auch mit seiner tollen schauspielerischen Leistung begeistert hat.“
Kreiszeitung Online v. 13.11.2017