Angeführt von Pastorin Hanna Rucks (mit Leuchtstecken) zogen die Kurrendesänger am frühen Morgen durch den Flecken. Foto: Weser-Kurier - INGO MOELLERS)
Beim Kurrendesingen zogen Unerschrockene am ersten Weihnachtstag in aller Herrgottsfrühe durch den Flecken
Harpstedt. (Weser-Kurier v. Ute Winsemann 27.12.2016) „Das frühe Aufstehen ist schon hart“, meinte Christian Brückner, erntete aber sofort entschiedenen Widerspruch. „Ich habe mich so darauf gefreut und hatte solche Angst zu verschlafen, dass ich schon um 4 Uhr das erste Mal wach war“, sagte etwa Irene Kolb. Da habe sie sich noch wieder hingelegt. Als sie aber um 20 vor sechs wieder aufgewacht sei, habe sie beschlossen, nun gleich aufzubleiben – obwohl es eigentlich noch immer ein bisschen früh war. Schließlich waren sie und andere erst für eine gute Stunde später verabredet: zum ersten Harpstedter Kurrendesingen. In aller Herrgottsfrühe, während die allermeisten Menschen nach dem Heiligen Abend noch das lange Ausschlafen genossen, zog eine kleine Gruppe Frauen und Männer durch den Flecken und sang Weihnachtslieder, bis schließlich ein winterlich fahles Morgenlicht den ersten Weihnachtstag erhellte.
Christian Brückner war einer der wenigen Teilnehmer, denen der Brauch bereits geläufig war. Denn der wird in seiner Heimat, der Schweiz, an verschiedenen Orten bis heute gepflegt. Von dort hat ihn auch seine Tochter, die Harpstedter Pastorin Hanna Rucks, mitgebracht. Auf ihren Aufruf hin hatten sich 15 Interessierte angemeldet, ihre Eltern sowie ihre Schwester, deren Weihnachtsbesuch ohnehin anstand, eingeschlossen. Für alle anderen aber waren die Lieder im Laufen – „Kurrende“ ist vom lateinischen Wort für „Laufen“ abgeleitet – Neuland. Ursprünglich waren es wohl bedürftige Schüler protestantischer Schulen, die für Geld sangen. Später traten die Pflege kultureller Werte und die christliche Verkündigung in den Vordergrund. Auch bei der Harpstedter Variante ging es nicht um Spenden, sondern allein darum, Weihnachten auf eine besondere Art erlebbar zu machen, sowohl für die zufälligen Zuhörer als auch für die Sängerinnen und Sänger.
Die fanden sich um kurz vor sieben in der Christuskirche ein. Obwohl es stockduster war, blieb das Licht im Vorraum aus, lediglich ein paar Teelichter und Taschenlampen spendeten etwas Licht. Das erste „Guten Morgen“ und „Frohe Weihnachten“ war noch geflüstert. So recht mochte wohl noch keiner die Nacht stören.
Die Schläge der Turmuhr durchdrangen die Stille schon mit mehr Macht. Ein letztes Warten auf Nachzügler, dann erklärte Hanna Rucks den Ablauf. Sie selbst würde vorangehen, mit einem selbst gebastelten Leuchtstecken, mit dem sie in der Dunkelheit für alle sichtbar wie mit einem Tambourstab den Takt anzeigen konnte. Die Töne sollte ihr Vater angeben, aber nicht so, wie sie in den ausgeteilten Noten standen: „Wir sind nicht eingesungen, es ist frühmorgens, und es ist kalt“, stellte Hanna Rucks fest, „mach es bitte alles eine Terz tiefer.“
Zum Aufwärmen ein Kanon. „Ehre sei Gott in der Höhe“ klang es durch den Vorraum, erst ein-, dann dreistimmig. Und obwohl sich manche der Teilnehmer noch nie vorher gesehen, geschweige denn zusammen gesungen hatten, klappte es auf Anhieb.
Mit diesem guten Vorzeichen trat die Gruppe hinaus in Nieselregen und stürmischen Wind. Doch auch davon ließen sich die Sängerinnen und Sänger nicht stören. Oder allerhöchstens ein kleines bisschen: „Wenn jetzt das Wetter noch besser wäre“, war irgendwann unterwegs zwischen zwei Liedern von einer Männerstimme zu vernehmen, „könnten wir den ganzen Jakobsweg bis nach Wildeshausen laufen“.
Dazu fühlte sich dann doch niemand berufen, es blieb bei der vorher ausgeguckten Strecke. Nach einem der insgesamt acht Lieder im Repertoire, die allesamt drei- bis vierstimmig erklangen, bot meist die nächste Straßenlaterne eine Gelegenheit, sich wieder ein bisschen zu sammeln, die feinen Wassertropfen von den Klarsichthüllen der Notenblätter zu wischen und die Töne für das nächste Lied anzustimmen.
Von alldem dürfte die Mehrheit der Bewohner in den Häusern am Weg nichts mitbekommen haben. Die allermeisten Fenster waren noch dunkel. Nur vereinzelt brannte schon Licht, oder es wurde gerade eine Jalousie hochgezogen. Solche Zeichen erwachenden Lebens zogen immer wieder auch die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich – zumal, als die Lieder bei der zweiten oder dritten Wiederholung schon besser auswendig saßen und die Sänger die Blicke schweifen lassen konnten. Hier und da war tatsächlich mal hinter einer Scheibe ein Gesicht zu erspähen. Um den Ausdruck darin zu erkennen, war es aber zu finster.
Eine unmittelbare Reaktion bekamen die Kurrendesänger schließlich nach rund einer Stunde beim Seniorenzentrum. Dort war die Gruppe vorab angekündigt, und bei ihrem Eintreffen wurden die Terrassentüren des Frühstücksraums geöffnet. Einige Bewohner lächelten, andere bewegten bei „O du fröhliche“ ebenfalls ihre Lippen und zollten den Sängern herzlichen Applaus.
Mittlerweile war es auch so hell geworden, dass der Himmel sich in dünnere und dickere Wolken unterscheiden ließ und die Stirn- und Taschenlampen nach und nach ausgeschaltet wurden. „Und jetzt geht's zum Kaffee“, kündigte Hanna Rucks an. Den setzte Pastor Timo Rucks schon auf, während die Gruppe weiter singend auch die letzte Etappe zum Alten Pfarrhaus zurücklegte. Aber noch ehe die ersten Tassen eingeschenkt waren, war eines klar: „Das hat Spaß gemacht. Das machen wir nächstes Jahr auf jeden Fall wieder.“
Die fanden sich um kurz vor sieben in der Christuskirche ein. Obwohl es stockduster war, blieb das Licht im Vorraum aus, lediglich ein paar Teelichter und Taschenlampen spendeten etwas Licht. Das erste „Guten Morgen“ und „Frohe Weihnachten“ war noch geflüstert. So recht mochte wohl noch keiner die Nacht stören.
Die Schläge der Turmuhr durchdrangen die Stille schon mit mehr Macht. Ein letztes Warten auf Nachzügler, dann erklärte Hanna Rucks den Ablauf. Sie selbst würde vorangehen, mit einem selbst gebastelten Leuchtstecken, mit dem sie in der Dunkelheit für alle sichtbar wie mit einem Tambourstab den Takt anzeigen konnte. Die Töne sollte ihr Vater angeben, aber nicht so, wie sie in den ausgeteilten Noten standen: „Wir sind nicht eingesungen, es ist frühmorgens, und es ist kalt“, stellte Hanna Rucks fest, „mach es bitte alles eine Terz tiefer.“
Zum Aufwärmen ein Kanon. „Ehre sei Gott in der Höhe“ klang es durch den Vorraum, erst ein-, dann dreistimmig. Und obwohl sich manche der Teilnehmer noch nie vorher gesehen, geschweige denn zusammen gesungen hatten, klappte es auf Anhieb.
Mit diesem guten Vorzeichen trat die Gruppe hinaus in Nieselregen und stürmischen Wind. Doch auch davon ließen sich die Sängerinnen und Sänger nicht stören. Oder allerhöchstens ein kleines bisschen: „Wenn jetzt das Wetter noch besser wäre“, war irgendwann unterwegs zwischen zwei Liedern von einer Männerstimme zu vernehmen, „könnten wir den ganzen Jakobsweg bis nach Wildeshausen laufen“.
Dazu fühlte sich dann doch niemand berufen, es blieb bei der vorher ausgeguckten Strecke. Nach einem der insgesamt acht Lieder im Repertoire, die allesamt drei- bis vierstimmig erklangen, bot meist die nächste Straßenlaterne eine Gelegenheit, sich wieder ein bisschen zu sammeln, die feinen Wassertropfen von den Klarsichthüllen der Notenblätter zu wischen und die Töne für das nächste Lied anzustimmen.
Von alldem dürfte die Mehrheit der Bewohner in den Häusern am Weg nichts mitbekommen haben. Die allermeisten Fenster waren noch dunkel. Nur vereinzelt brannte schon Licht, oder es wurde gerade eine Jalousie hochgezogen. Solche Zeichen erwachenden Lebens zogen immer wieder auch die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich – zumal, als die Lieder bei der zweiten oder dritten Wiederholung schon besser auswendig saßen und die Sänger die Blicke schweifen lassen konnten. Hier und da war tatsächlich mal hinter einer Scheibe ein Gesicht zu erspähen. Um den Ausdruck darin zu erkennen, war es aber zu finster.
Eine unmittelbare Reaktion bekamen die Kurrendesänger schließlich nach rund einer Stunde beim Seniorenzentrum. Dort war die Gruppe vorab angekündigt, und bei ihrem Eintreffen wurden die Terrassentüren des Frühstücksraums geöffnet. Einige Bewohner lächelten, andere bewegten bei „O du fröhliche“ ebenfalls ihre Lippen und zollten den Sängern herzlichen Applaus.
Mittlerweile war es auch so hell geworden, dass der Himmel sich in dünnere und dickere Wolken unterscheiden ließ und die Stirn- und Taschenlampen nach und nach ausgeschaltet wurden. „Und jetzt geht's zum Kaffee“, kündigte Hanna Rucks an. Den setzte Pastor Timo Rucks schon auf, während die Gruppe weiter singend auch die letzte Etappe zum Alten Pfarrhaus zurücklegte. Aber noch ehe die ersten Tassen eingeschenkt waren, war eines klar: „Das hat Spaß gemacht. Das machen wir nächstes Jahr auf jeden Fall wieder.“
Quelle: Weser Kurier v. 27.12.2016