Seit Wochen war es Ortsgespräch, und man erwartete, wie Pastor Timo Rucks es in seiner Begrüßung am Mittwoch in der Christuskirche nannte, „etwas ganz Großes“. Und in der Tat: Das Benefizkonzert zugunsten der Flüchtlingshilfe, das der DRK-Landesverband Oldenburg und die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in der voll besetzten Kirche veranstalteten, war etwas Besonderes.
(Weser Kurier 29.01.2016 von Günter Matysiak) Beim Benefizkonzert in der Christuskirche überzeugten Orchester und Dirigent mehr als Stargast Justus Frantz
Das ließ allein das angekündigte Programm mit Ludwig van Beethovens Egmont-Ouvertüre, seinem dritten Klavierkonzert und der ersten und zweiten Sinfonie erwarten. Ein Mammutprogramm, wie es zu Beethovens Zeiten üblich war, als man über Stunden im Konzertsaal verbrachte. Auch das Orchester, das Desaga Solisten Chamber Orchestra, darf, was seine Qualitäten betrifft, mit dem Attribut „groß“ bedacht werden. Es ist der kleinere Ableger von Justus Frantz’ „Philharmonie der Nationen“, deren Konzertmeister Catalin Desaga ist.
Der Dirigent des Abends, Dieter Holzapfel, wird nicht böse sein, wenn er nicht zu den „ganz Großen“ seiner Zunft gerechnet werden soll. Er ist nämlich vor allem Präsident des DRK-Landesverbandes und betreibt das Dirigieren aus Liebhaberei, mit Leidenschaft und, vorweg gesagt, durchaus achtungsgebietend. Justus Frantz war der Solist. Er hat nach wie vor einen illustren Namen, und Moderator Dieterfritz Arning stellte ihn denn auch als „Stargast“ vor. Die Moderation gefiel übrigens durch Sachkunde und Knappheit.
Die Musik, die ohne jede Frage in die Kategorie „etwas ganz Großes“ gehörte, begann mit Beethovens erster Sinfonie in C-Dur op 21, uraufgeführt in Wien im April 1800. Carl Maria von Weber hat das Werk als „feurig strömend“ beschrieben, und so war auch die Wiedergabe durch das Desaga Solisten Chamber Orchestra. Es herrschten die schnellen, mitreißenden Tempi nach der pathosgeladenen Adagio-Einleitung. „Con brio“ oder „Con moto“, alles das waren Vortragsvorschriften, die mit Nachdruck ausgeführt wurden. Das Andante war tänzerisch bewegt, Holzbläser und Streicher warfen sich in den fugierten Partien spielerisch die Bälle zu. Dem Menuett (der Programmzettel nannte es nicht) gab das Orchester wilden Scherzocharakter, wobei die Violinen manchmal etwas ruppig klangen. Ein Geschwindritt war das Finale, manchmal etwas lärmend mit seinen donnernden Pauken.
Was wäre ein Justus-Frantz-Konzert ohne Programmänderung? Dieterfritz Arning hatte sie zu Beginn angesagt. Der Flügel sei zu klein für das Beethoven-Konzert. Und so gab es stattdessen Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert in A-Dur KV 488. Justus Frantz’ Auftreten indes erinnerte sehr an Beethoven, von dem man berichtet, er habe sich auch gerne im Schlafrock unter die Leute begeben. Der Pianist setzte sich an den Flügel, nicht im Frack wie das Orchester, sondern bekleidet mit grünen Jeans, gestreiftem Hemd, violettem Schal und einem schwarzen Mantel. Dann erhob er sich noch einmal für den Gang zum Moderator, der dann dem Publikum die eher fadenscheinigen Gründe für das ungewöhnliche Outfit mitteilte, die an dieser Stelle nicht zur Debatte stehen sollen.
So gesehen war Justus Frantz auf seinen Auftritt nicht gerade optimal vorbereitet. Seinen Mozart hat er indes ganz abrufbereit in den immer noch schnellen Fingern. Etwas „ganz Großes“ war sein Mozartspiel nun gerade nicht, traf mit etwas hemdsärmeliger spielerischer Lockerheit aber den galant-unterhaltsamen Ton der beiden Außensätze, vermochte dem tiefmelancholischen Adagio auch eine gewisse strenge Empfindsamkeit zu geben. Im Zusammenspiel mit dem nuanciert agierenden Orchester entwickelte sich nur wenig dialogisierende Nähe. Der Flügel war allerdings auch kein besonders mozartgeeignetes Instrument. Hatte das Publikum in der Sinfonie noch nach jedem Satz geklatscht, beschränkte es sich nun auf den Schlussapplaus. Aber der Strauß gelber Tulpen, den der Pianist überreicht bekam, passte bestens zum violetten Schal.
Beethovens 2. Sinfonie in D-Dur op. 36 war dann wieder etwas „ganz Großes“. Dieter Holzapfel und dem Orchester gelang nach der dunkel-drohenden Adagio-Einleitung eine überzeugende Darstellung von Heiterkeit und Lebensmut: Federnd-kraftvolle und auch eruptive Akzente, genießerische Streicher-Bläser-Dialoge und ein grundsätzlicher heißer Atem durchzogen alle vier Sätze.
Riesenapplaus und eine große Zugabe. Dieter Holzapfel ging ausführlich auf den „politischen“ Komponisten Beethoven ein, seine Freiheitsmaximen und seine Idee des „alle Menschen werden Brüder“, bevor er mit einer wirklich furiosen Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ op. 84 einen hochdramatischen Schlusspunkt setzte. Und manchmal hüpfte der Dirigent wie weiland Leonard Bernstein. Was jenseits der Musik – wie jedes Mal an diesem Ort – gefallen konnte, waren darüber hinaus die angenehme Konzertatmosphäre bei „eeten un drinken“ (Arning) und eine persönliche Nähe zu den Musikern.
Quelle: Weser-Kurier 29.01.2016