„Eine andere Art der Verkündigung“

Nachricht 23. Dezember 2015
2015-12-24WeserKurierKantatenPredigen
Am meisten Spaß macht es Werner Richter, Bach selbst zu singen. In der Reihe „Kantaten predigen“ kam die Musik dagegen immer von CDs, der Pastor steuerte dazu seine Gedanken bei. Zum Finale gestaltet er nun noch einmal sechs Gottesdienste zum Weihnachtsoratorium. (Foto: Weser-Kurier - Janina Rahn)

Mit sechs Gottesdiensten zum Weihnachtsoratorium beendet Pastor Werner Richter die Reihe „Kantaten predigen“

Harpstedt (Weser-Kurier 24.12.2015 vom Ute Winsemann) „Das sind solche Kostbarkeiten, die will ich nicht nur für mich behalten.“ Das sei einer seiner ersten Gedanken gewesen, als er vor einigen Jahren eine Gesamtausgabe der Werke von Johann Sebastian Bach auf CD bekommen habe, erinnert sich Werner Richter. Aus diesem Impuls entstand die Idee für einen jahrelangen Dauerbrenner, der jetzt seinen Abschluss findet: Mit einem sechsteiligen Mini-Marathon zum Weihnachtsoratorium, vom morgigen ersten Weihnachtsfeiertag bis Epiphanias am 6. Januar, endet die Gottesdienst-Reihe „Kantaten predigen“.

Dass Richter sie vor knapp neun Jahren, am 28. Januar 2007, begann, ist aber nicht nur dem CD-Paket zu verdanken, sondern auch einem „schlauen Buch, das Einführungen in die Kantaten liefert“. Als ihm das etwa zur gleichen Zeit wie die Tonträger in die Hände gefallen sei, habe er gedacht: „Probier mal aus, wie das wird, wenn du eine Kantate im Rahmen eines Gottesdienstes vorstellst.“

Aus dem Experiment gleich eine ganze Reihe zu machen, habe er sich anfangs gar nicht vorgenommen. Und doch kamen schließlich über die Jahre mehr als Hundert Veranstaltungen zusammen.

Das Muster war immer dasselbe. Die üblichen Gottesdienst-Abläufe waren auf ein Minimum reduziert. Schließlich sollte genug Zeit bleiben, etwas zu der jeweiligen Kantate zu sagen und sie anschließend in voller Länge zu hören. Da reichte es nur noch für je ein gemeinsames Lied am Anfang und am Ende, das Vaterunser und den Segen zum Abschied. Sonst feste Bestandteile von Gottesdiensten, etwa liturgischer Wechselgesang oder auch das Glaubensbekenntnis, kamen in den knapp einstündigen Feiern nicht vor.

Dafür aber „eine andere Art der Verkündigung“, wie Richter findet. „In der Regel gehen die Kantaten von dem jeweiligen Sonntagsevangelium aus“, erklärt er. Allerdings habe Bach nicht einfach die Bibel vertont, sondern die Werke beruhten auf eigens verfassten Textvorlagen. „Das ist ja schon mal ein dichterischer Vorgang und in gewisser Weise auch ein Predigt-Vorgang.“ Wobei er er selbst „nicht alles heute so sagen würde“, gesteht Richter. „Vieles aus dieser Zeit hat eine gewisse Frömmigkeit, die nicht so meine Sache ist, da ist zum Beispiel ganz viel mit fürchterlicher Sünde.“

Aber letztlich ging und geht es ihm ja auch mindestens ebenso sehr um die Musik. „Im Barock allgemein und ganz besonders bei Bach gibt es viele Stellen, wo versucht wird, den Text musikalisch zu malen“, beschreibt Richter – und ihn damit zu verdeutlichen oder gar weitere Dimensionen zu erschließen. „Wenn Bach zum Beispiel bei der tiefen Ruhe des Schlafes im Tode mit der Melodie ganz nach unten geht und unendlich lange Noten schreibt, wird einfach deutlich, was ihm wichtig ist.“

Faszinierend findet Richter dabei nicht zuletzt, wie Bach das immer wieder mit nur „vagen Hinweisen“ gelinge. Das sei gerade auch beim Weihnachtsoratorium nachzuvollziehen. Denn obwohl der Komponist nur die wenigsten Stücke dafür neu geschrieben, die meisten hingegen aus anderen Zusammenhängen wiederverwertet habe, mache er „zum Beispiel dieses ,Schlafe mein Liebster, diese wunderschöne Alt-Arie“ mit einfachsten Mitteln wie leichten Variationen der Instrumentierung oder dem einen oder anderen Bindebogen genau passend für den neuen Zweck. „Bei so großer Musik ist nichts zufällig.“

Das könne man einfach so genießen. „Das Weihnachtsoratorium ist für viele Leute Weihnachten schlechthin“, weiß Richter. Oder man könne es eben auch tiefer ergründen. Dazu besteht nun beim Finale der Gottesdienst-Reihe die Gelegenheit. Bei den Terminen kommt dem im vorigen Jahr in Ruhestand gegangenen Pastor entgegen, dass diesmal der 27. Dezember auf einen Sonntag fällt. Denn so könne er sich genau an den von Bach vorgesehenen Ablauf halten. Zu dessen Zeiten sei nämlich noch ein dritter Weihnachtstag gefeiert worden, für den Bach dementsprechend ebenfalls einen Teil des Zyklus’ komponiert habe.

Und nun können eben auch die ersten drei Kantaten an drei aufeinander folgenden Tagen erklingen. Am morgigen ersten Weihnachtstag heißt es „Jauchzet, frohlocket“, am zweiten Weihnachtstag „Und es waren Hirten“ und am Sonntag nach Weihnachten „Herrscher des Himmels“. Richters besondere Empfehlung sind allerdings die drei folgenden, deutlich seltener zu hörenden Kantaten. Mit „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ beginnt das neue Jahr. Am Sonntag, 3. Januar, folgt „Ehre sei dir Gott, gesungen“. Am Mittwoch, 6. Januar, endet das Oratorium und damit auch die ganze Reihe dann mit „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“.

Wie in all den Jahren beginnen die Kantaten-Gottesdienste in der Christuskirche jeweils um 17 Uhr. Einzige Ausnahme ist der Neujahrstag, dann geht es schon um 10 Uhr los.

Quelle: Weser-Kurier 24.12.2015