Überzeugten mit ihrer Aufführung von Verdis Messa da Requiem am Sonnabend in der Christuskirche: Der Osterchorsteinway Bremen, die Kantorei Salzwedel und das Orchester aus Mitgliedern der Komischen Oper Berlin sowie das Vokalquartett „consonanz à 4“. Foto: Ingo Möllers (Weser-Kurier)
Osterchorsteinway und Kantorei Salzwedel präsentierten Verdis „Messa da Requiem“ in der Christuskirche
Harpstedt. (Weser-Kurier v. 20.10.2014 - Günter Matysiak) Der Bremer Osterchorsteinway und die Kantorei Salzwedel haben am Sonnabend in der Christuskirche in Harpstedt die Messa da Requiem von Giuseppe Verdi aufgeführt. Gemeinsam mit Mitgliedern des Orchesters der Komischen Oper Berlin präsentierten die Musiker eine effektvolle Totenmesse.
Eine „Oper im Kirchengewand“ – so beschrieb der deutsche Dirigent Hans von Bülow 1874 einen Tag vor der Uraufführung die „Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi in der „Allgemeinen Zeitung“. Eine durchaus abwertend gemeinte Bezeichnung, die dem Meisterwerk Verdis immer noch anhängt, auch wenn von Bülow sein Verdikt später bereut und Verdi ein Jahr später um Vergebung gebeten hat. In einer beeindruckenden Wiedergabe erklang das Stück am Sonnabendabend in der Christuskirche in Harpstedt. Verdis Requiem ist kein frommes Kirchenwerk, es ist für den Konzertsaal geschrieben und setzt sich leidenschaftlich und auch opernhaft effektvoll mit dem Tod auseinander. Und der hat, auch im liturgischen Text der Totenmesse, machtvolle dramatische Seiten. Dramatisch war auch die kurze Einführung durch Ulrich Juchheim aus den Reihen des Chores. Juchheim lenkte das Gedenken auf die Toten im Weltkrieg vor hundert Jahren und die Aufführungen des Verdi-Requiems im Konzentrationslager Theresienstadt 1943, in denen die singenden und musizierenden Juden gleichsam die „Totenmusik ihrer eigenen Ermordung“ vorwegnahmen, wie ein erschütternder Text im Programmheft hierzu anmerkte.
Aufgeführt wurde das Requiem am Sonnabend vom Osterchorsteinway Bremen, der Kantorei Salzwedel und einem Orchester aus Mitgliedern der Komischen Oper Berlin sowie dem Vokalquartett „consonanz à 4“ mit Wiltrud de Vries (Sopran), Annette Gutjahr (Mezzosopran), Bernhard Scheffel (Tenor) und Allan Parkes (Bass). Die musikalische Leitung hatte Manfred Seidl. Wollte man einen Gesamteindruck über das Wesen dieser Aufführung formulieren, so bliebe der des leidenschaftlichen, kraftvollpositiven Tons, wie aus dem Gedanken des „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ aus dem 1. Korintherbrief. Und es bleibt der Eindruck einer musikalischen Gestaltung, in der Pracht und Farbigkeit des Werks zu ihrem Recht kamen, auch zu dem des großen Effekts.
Gleich zu Beginn machte der Chor mit Pianissimo-Emphase das „Requiem aeternam“ indringlich, ehe das Orchester ätherisch hinzukam und das Vokalquartett mit Solofarben und seinem sehr geschlossenen, ausbalancierten Ensembleklang das „Kyrie“ sang. Als sich dann im Forte-Tutti die Bewegtheit noch steigerte, war das eine gelungene Vorbereitung auf den musikalischen Ausbruch des „Dies Irae“ mit seinem höllischen Toben, das bei aller Wildheit aber atmend und ausgespielt gestaltet war. Im langen Dies Irae-Teil kehrte die Höllenvision immer wieder, auch später im abschließenden „Libera me“.
Der „Die Irae“-Satz gab dem Chor vielerlei Möglichkeiten, seine Klangtugenden und seine Ausdrucksfähigkeiten zu zeigen. Allan Parkes sang mit sonoren Tiefen. Ihm gelang ein Schaudern auslösendes, dreimaliges „Mors“ (Tod) im „Mors stupebit“. Alle vier Sänger brauchten eine kurze Zeit, bis die Stimme saß. Annette Gutjahrs Mezzo changierte überzeugend zwischen sinnlicher Kraft und nuanciertem Pathos. Bernhard Scheffel sang seine Partie nicht durchweg mühelos, konnte aber etwa im „Ingemisco“ die bukolischen Stimmungen einfangen, die auch das Hitzeflirren der Violinen und die Hirtenschalmeientöne der Oboen „malten“. Überhaupt ging das Orchester mit den hochvirtuosen Ansprüchen, die das Werk darstellt, überlegen um. Wiltrud de Vries‘ Sopran war spätestens im „Libera me“ von frei strömender Schönheit zwischen eindringlichem „Flehen“ und zauberischen Spitzentönen gezeichnet. Noch einmal ein bisschen Verdi-Oper in den „fetzigen“ Orchestereinwürfen zur fast tänzerischen Chorfuge und dann ein verstummendes, gesprochenes Einton-Motiv: Sopran und Chor bitten „Befreie mich, Herr.“ Nach einem Moment der Besinnung gab es den begeisterten Applaus des Publikums.
Quelle: Weser Kurier Online v. 20.10.2014